Leben zu vergeben

■ Schnörkellos: Massimo Costas „Vuoti a perdere“ im Panorama

Der klasische Polizeithriller hat im europäischen Kino ausgespielt. Zu groß die Konkurrenz der Fernsehkommissare, zu banal die psychologischen Erklärungsmuster ketterauchender Verbrecherjäger, die zuviel vom Leben wissen, um noch an Gut und Böse glauben zu können. Wer die durchgestylten Streifen der Siebziger aus Italien und Frankreich trotzdem vermißt, kommt bei „Vuoti a perdere“ voll auf seine Kosten.

Hauptdarsteller Giancarlo Giannini ist ein Relikt dieser Zeit, in der er als Verkörperung subtiler Charaktere bei Lina Wertmüller, Visconti und Fassbinder Preise einheimste. Ein Gesicht, das man nicht mehr erklären muß. Warum unterzieht er ein wegen eines einfachen Autodiebstahls verhaftetes Gaunerpärchen einem nervenzerreißenden Verhör bis zum Morgengrauen? Weil oder obwohl ihn sein Job anödet? Die Frage spielt keine Rolle, die Tatsache allein ist Grund genug. Was die beiden mit ihm machen, wird ihn jedenfalls ein weiteres Mal an seinem Beruf zweifeln lassen.

Fabrizio und Simonetta stellen alle Verhörstrategien auf den Kopf und erzählen Kommissar Cesena mehr über sich und ihr wildes Leben, als ihm lieb ist.

Aus kalkuliertem Spaß und wahnhaftem Selbstzerstörungstrieb schwelgen sie in Verbrechen, von denen Cesena nicht zu träumen gewagt hätte. Von wegen Geständniszwang! Die zwei treibt die Lust an der eigenen Geschichte, sei sie wahr oder nicht.

Raubend und brennend zieht das Paar durch die Straßen, immer auf der Suche nach dem besseren Kick. Die Rückblenden, voll von nackter Gewalt und hartem Sex, entwerfen ein Bild der italienischen Jugend, das uns angst machen sollte.

„Vuoti a perdere“ ist bei allem Stil kein Kunstfilm, er funktioniert direkt und schnörkellos. Wie Regisseur Massimo Costa auf der Pressekonferenz zum Film erklärte, stehen Fabrizio und Simonetta für eine Generation, in der „nichts mehr einen Wert hat, die keine Bescheidenheit kennt und alles sofort haben muß“.

Das ist „Derrick“ mit Sex and Crime im Leinwandformat, mit guten Schauspielern. Und weil Costa die klaustrophobische Verhörsituation nach bewährtem Schema so spannend inszeniert hat, ist der Film Liebhabern eines verblichenen Genres wärmstens zu empfehlen. Philipp Bühler