■ Rumänien: Bergarbeiterführer Cozma muß 18 Jahre ins Gefängnis
: Ein Exempel als Ablenkungsmanöver

Es bedurfte schon einer gewissen Dreistigkeit, wie Rumäniens Staatspräsident Emil Constantinescu in der vergangenen Woche via Fernsehen seinem Volk den ausgebliebenen Showdown zwischen Bergarbeitern und Regierung als Indiz für Stabilität und Funktionsfähigkeit der rumänischen Demokratie zu verkaufen versuchte. Fragt sich nur, ob Constantinescu das jetzt noch genauso sieht. Denn das Verdikt des Obersten Gerichtshofes, der den Bergarbeiterführer Miron Cozma am Montag zu 18 Jahren Haft verurteilte, läßt doch erhebliche Zweifel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Rumänien aufkommen.

Dabei könnte die Begründung des Urteils absurder nicht sein: Untergrabung der Staatsgewalt, illegaler Waffenbesitz sowie Gefährdung des Eisenbahnverkehrs, und das alles im Jahre 1991. Merkwürdig ist nur, daß erst jetzt ein Urteilsspruch ergeht, Cozma aber wegen ähnlich gelagerter Vorwürfe 1996 anderthalb Jahre Gefängnis kassierte. Und merkwürdig ist auch, daß es eben dieser Cozma war, mit dem Ministerpräsident Radu Vasile im vergangenen Monat einen gemeinsamen Plan über die Schließung von Zechen ausgehandelt hatte.

Das alles nährt den Verdacht, daß es weniger um ein korrektes rechtsstaatliches Procedere geht als darum, ein Exempel zu statuieren, wobei die Regierung eifrig bemüht ist, von ihrer Handlungsunfähigkeit abzulenken. Denn sie ist regelrecht eingekeilt zwischen einer verordneten Austeritätspolitik, von der der Internationale Währungsfonds seine Vergabe dringend benötigter Kredite abhängig macht, und dem Druck ständiger wachsender Verarmung und Verelendung in weiten Teilen der Bevölkerung.

Doch hinter dem Urteil steckt wohl noch ein anderes Ziel. Zufällig gehört Cozma der faschistischen Großrumänienpartei an. Deren Chef Vadim Tudor propagiert unverhohlen die Errichtung von Konzentrationslagern für Juden und andere Minderheiten und erreicht damit bei Umfragen zweistellige Zustimmungsraten. Da sieht es gar nicht gut aus, wenn parallel zu Tudors Amokläufen der rumänische Regierungschef beim Nachbarn Ungarn mit einer vorbildlichen Minderheitenpolitik wirbt, in der Hoffnung, Budapest werde sich zum Motor einer baldigen Westintegration Rumäniens machen.

Die Verlierer bei all dem sind die Bergarbeiter, die einmal mehr für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Doch schon marschieren sie wieder. Und so könnte sich das Urteil gegen Cozma für die Regierung schnell als Bumerang erweisen. Barbara Oertel