Kommentar
: Freiwilliger Zwang

■ In der Metallbranche sind beide Seiten zur Schlichtung verdammt

„IG Metall gibt grünes Licht für Streik“, meldeten gestern die Nachrichtenagenturen. In Wirklichkeit steht die Ampel längst auf Rot – auch wenn die Urabstimmung angesetzt ist. Grün zeigt die Ampel für eine Schlichtung durch Hans-Jochen Vogel. Die ist zwar informell, doch beide Seiten wissen, daß sie den Spruch des ehemaligen SPD-Vorsitzenden nicht ablehnen können. Die Arbeitgeber können sich einen Streik in der boomenden Automobilbranche nicht leisten, deshalb haben sie ja eine Schlichtung vor der Urabstimmung vorgeschlagen. Die IG Metall wiederum könnte mit dem Streik zwar in Baden- Württemberg mehr Geld erkämpfen, würde aber danach im Regen stehen.

Erstens hätten die Arbeitgeber einen prima Vorwand, um das „Bündnis für Arbeit“ ohne viel Federlesens platzen zu lassen. Auch wenn dessen Chancen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, gering sind: Ein früher Abbruch der Gespräche würde auf den IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel, von dem die Initiative zum Bündnis ausging, zurückfallen. Zweitens würde das seine Gewerkschaft isolieren. Denn so richtig es ist, daß die Großunternehmen der Branche ihre Gewinne in den vergangenen Jahren vervielfacht haben, so falsch ist es für die Mittelständler und den Osten. Dort treten immer mehr Firmen aus dem Arbeitgeberverband aus und entziehen sich so den Tariflöhnen.

Das Gefälle zwischen den Firmen ist der Hauptgrund, warum beide Seiten sich in 29 Verhandlungsrunden nicht geeinigt haben. Bis zum letzten Moment muß die IG Metall die Arbeiter in den hochprofitablen Autofirmen vertreten, während ihr Gegner Gesamtmetall auch die kleinen Zulieferer nicht vergessen darf, die von ihren mächtigen Abnehmern in der Rationalisierungsphase ausgequetscht wurden.

Wenn nicht alles täuscht, wird am Ende zwar keine Vier vor dem Komma stehen. Und ein Teil des Ergebnisses dürfte eine einmalige Zahlung sein, die bei künftigen Verhandlungen nicht zum Sockel gehört. Dafür kann Zwickel aber damit werben, daß der Tarifvertrag weiterhin Mindestlöhne für alle festlegt – also nicht, wie die Arbeitgeber wollten, Lohnsteigerungen zum Teil an die Gewinnsituation koppelt. Noch ein Vorteil der Schlichtung sei nicht verschwiegen: Sie erlaubt es beiden Seiten, einen Teil der Verantwortung für den Kompromiß abzugeben. Hans-Jochen Vogel wird nichts dagegen haben. Michael Rediske