Jobsuche – ein großes Problem für Kleinwüchsige

■ In Bremen soll die weltweit erste Studie über die Berufsintegration Kleinwüchsiger entstehen / „Kleine werden zu oft zu schlecht beraten“, sagen Experten

Kristin Landwehr wollte Tierpflegerin werden. Damals, mit 15 Jahren. Doch ihr Jugendtraum wurde gründlich plattgeredet. Als Kleinwüchsige könne sie solch einen Beruf unmöglich ausüben, sagten die Berufsberater. Heute ist sie gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau. Und sehr zufrieden damit. Trotzdem: Seinerzeit hätte es sicher auch Alternativen gegeben. Die Berufsberater hätten ihr andere Wege aufzeigen können, anstatt abzublocken, sagt sie.

Fast fünfzehn Jahre später ist vieles einfacher geworden für Kleinwüchsige. Der Besuch von Regelkindergärten und -schulen sei Gott sei dank mittlerweile üblich, sagt Karl-Heinz Klingebiel, Geschäftsführer des Bundesverbands Kleinwüchsiger Menschen und ihrer Familien (BKMF). Und um anschließend den Einstieg in den Beruf zu erleichtern, erarbeitet der BKMF in Bremen jetzt für das Bundesministerium für Arbeit eine Studie. Die erste, die sich der Berufsproblematik Kleinwüchsiger annimmt – und das weltweit.

Ziel ist es, geeignete Ausbildungsberufe für Kleinwüchsige zu finden, Tips für Arbeitgeber zu geben, Arbeitsplätze zu beschreiben, technische Hilfsmittel für die Ausbildung und Studienmöglichkeiten zu entwickeln. Das alles will das BKMF in den nächsten drei Jahren erarbeiten. Mittels Fragebogen und in Interviews will man die Berufssituation der 2.300 Mitglieder erkunden und mit Schwerbehindertenbeauftragen der Arbeitgeberseite und der Gewerkschaften sprechen.

Kleinigkeiten sind es oft, die den Arbeits- und Lebensalltag für die 80 bis 150 Zentimeter großen Menschen schwermachen: Türgriffe, Lichtschalter, Stühle und dergleichen – alles zu hoch. Mit einem Hocker ist vielen schon geholfen, sagt Klingebiehl. So gelten in der Schule viele kleinwüchsige Kinder als Zappelphillipe. Zu Unrecht, sagt Klingebiehl, „denn wenn man mit den Füßen nicht auf den Boden kommt, und der Stuhlsitz in den Kniekehlen drückt, hampelt man eben herum“. Für die Kinder geeignete Stühle haben dagegen anpaßbare Trittbretter, kleinere Sitzflächen und höhere Armlehnen. Eigentlich nicht viel für den üblichen Sitzkomfort. Klingebiehl träumt davon, im Rahmen dieser Studie eine tragbare Trittbank zu entwickeln. Klein und leicht soll sie sein, immer im Rucksack dabei. Klingebiehl selbst bräuchte so etwas nicht – mit seinen 1,92 Metern könnte er genausogut den Club der Langen Menschen vertreten. Aber als Vater von einem kleinwüchsigen Sohn, Milan, wurde er vor elf Jahren Gründungsmitglied des BKMF. Früher fanden Kleinwüchsige oft nur in beschützenden Werkstätten Arbeit. „Aber da muß man doch nicht hin, nur weil man kleinwüchsig ist“, meint Klingebiehl. Schließlich hat die Körpergröße nichts mit handwerklichem Können und Intelligenz zu tun. Immer noch wissen Ärzte zu wenig über die mehr als hundert Formen der Kleinwüchsigkeit. Erst langsam wird darüber in der Gesellschaft nachgedacht. Nachdem Kleinwüchsige unter Hitler vergast wurden, waren sie im Nachkriegsdeutschland kaum existent, erklärt Klingebiehl. Erst jetzt wächst eine neue Generation und damit gesellschaftliche Aufmerksamkeit heran.

Für diese Studie wird mit dem Arbeitsamt eng kooperiert. „Ihr Know-how und unseres kann sich gut ergänzen“, meint Projekt-Mitarbeiter Volker Lehmann. Insbesondere in Bremen wurde die Idee sofort aufgenommen und mit großem Engagement unterstützt, lobt er. Mit 900.000 DM wird die Studie vom Bundesministerium für Arbeit finanziert und dann auch herausgegeben. Das sichere einen hohen Verbreitungsgrad und mehr Aufsehen. Irgendwann, hofft Klingebiehl, werden die Arbeitsämter Deutschlands bei der BKMF anrufen, wenn sie Fragen und Probleme mit Kleinwüchsigen haben.

Trotzdem: Nicht nur Berufsberater, auch Mitmenschen müssen umdenken. Kristin Landwehr wünscht sich, daß die „Blockade im Kopf“ aufhört, Normal-Große Kleinwüchsige „nicht länger angaffen“. Oft wird sie wie ein Kind von Unbekannten geduzt. In der Fleischerei reicht man ihr manchmal sogar noch eine Wurstscheibe. Manche drängeln sich vor, als ob Kleine mehr Zeit hätten. Empörend – für eine 28jährige, voll im Leben stehende, junge Frau!

Dorothee Krumpipe