Der Doppelpaß

Inländer zu werden ist kompliziert. Vor allem nachgezogene Ehepartner – das sind meist Frauen – müssen sich bisher mit einem Gestrüpp von Bestimmungen auseinandersetzen. Erst nach vier Jahren Ehe in Deutschland mit einem legal hier befindlichen Ausländer oder mit einem Deutschen erhalten sie einen unabhängigen Aufenthaltsstatus, der ihnen ermöglicht, auch nach einer Scheidung im Land zu bleiben.

Fünf Jahre lang bekommen ImmigrantInnen befristete Aufenthaltserlaubnisse; nach acht Jahren kann eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung beantragt werden. In der Praxis bekommen viele diese nicht, weil sie die verlangten sechzig Monatsbeiträge zur Alterssicherung nicht eingezahlt haben. Es kommt vor, daß Frauen im Rentenalter noch alle zwei Jahre ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen müssen.

Nachziehen dürfen Ehepartner sowie Kinder unter sechzehn Jahren. Die Einbürgerung beantragen darf bisher, wer acht Jahre im Land lebt; ein Rechtsanspruch besteht nach fünfzehn Jahren. Für Ehepartner ist es im allgemeinen ausreichend, wenn sie seit fünf Jahren in Deutschland leben und die Ehe seit zwei Jahren besteht.

An den Kriterien für Aufenthaltserlaubnisse und -berechtigungen wird sich nichts ändern. Ebenfalls unangetastet bleibt die Klausel, laut der lediglich Ehepartner und Kinder nachziehen dürfen – insofern ist es zweifelhaft, ob es durch die Reform zu einem verstärkten Zuzug kommt, wie von der CDU behauptet. Ändern wird sich vermutlich nur etwas für Sozialhilfeempfänger, die ihre Familien nachziehen lassen wollen: Wenn sie den deutschen Paß haben, ist das vermutlich kein Hinderungsgrund für den Zuzug.

Nach dem rot-grünen Gesetzesvorschlag würden Kinder automatisch Deutsche, wenn ein Elternteil hier geboren wurde oder im Alter von unter vierzehn Jahren einreiste. Ehepartner eines oder einer Deutschen hätten nach drei Jahren Aufenthalt und zwei Jahren Ehe Recht auf den deutschen Paß – Ausländer ohne Partner nach acht Jahren. Auch hier gibt es Hinderungsgründe, die vor allem Frauen ausschließen werden – etwa die Verpflichtung, „den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe“ zu bestreiten.

Bisher war der Bezug staatlicher Gelder bei der Anspruchseinbürgerung nach fünfzehn Jahren kein Hindernis. Türkische Organisationen warnen bereits jetzt, daß zahlreiche Einbürgerungen an der finanziellen Situation scheitern könnten. Treffen dürfte dies mehr Frauen als Männer: Viele sind nach jahrelanger Arbeit in die Arbeitslosenhilfe abgerutscht oder wegen geringer Renten auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen. jago