Im Lager der CDU hat der Wahlsieg viele Väter

■ Trotz der Vorbehalte zahlreicher CDU-Politiker gegen die Unterschriftenkampagne vor der Hessen-Wahl: Erfolg gibt recht. Die Kritik an Parteichef Schäuble dürfte nun verstummen

„Insgesamt ist das ein erfreuliches Ergebnis.“ Wolfgang Schäuble pflegt im Zusammenhang mit eigenen Erfolgen und Mißerfolgen in der Öffentlichkeit die Kultur der unterkühlten Sachlichkeit. Starke Worte reserviert er für den Umgang mit dem Gegner: Eine „schallende Ohrfeige“ für Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen Regierung sei das Ergebnis der Landtagswahl in Hessen. Nun sei es bewiesen: Die CDU sei „die große integrierende Kraft der politischen Mitte“.

Das mögen selbst innerhalb der Union manche auch weiterhin anders sehen. In den letzten Wochen hatten zahlreiche CDU-Politiker durchblicken lassen, daß sie der gemeinsamen Unterschriftenaktion mit der CSU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft skeptisch gegenüberstehen. Sie fürchten ein Abdriften ihrer Partei nach rechts. Mit einem solchen Kurs aber ist nach Einschätzung der Kritiker die strukturelle Mehrheit in der Gesellschaft nicht zurückzugewinnen – zumal dann nicht, wenn ein Wahlkampf von einem weniger emotionalisierten Thema als der Ausländerpolitik beherrscht wird.

Aber Erfolg gibt recht, und so wird öffentlicher Widerspruch gegen die Unterschriftenkampagne aus dem Lager der CDU wohl nicht mehr zu hören sein. Im Gegenteil: Der Sieg hat viele Väter. „Einschränkungslos“ habe er sich über das hessische Wahlergebnis gefreut, erklärt der stellvertretende Parteivorsitzende Volker Rühe. Er war einer der Kritiker der Aktion. Hat er da falsch gelegen? „Ich habe mich nicht geirrt. Wir haben ja einen Beitrag dafür geleistet, daß das Thema in der Balance bleibt.“ In dem Aufruf werde ja auch für die Integration hier lebender Ausländer geworben.

Wir – damit meint Rühe die Gruppe von CDU-Abgeordneten, die sich kürzlich auf einer Fraktionssitzung beim Thema Staatsbürgerschaft für das Optionsmodell ausgesprochen hatten – und damit nach Einschätzung vieler Beobachter auch Kritik an der bisherigen Amtsführung von Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble zum Ausdruck gebracht hatten. Auch diese Kritik dürfte nun verstummen oder zumindest sehr viel leiser werden.

Schäuble selbst gibt sich vor Journalisten erkennbar Mühe, dem Eindruck von einem Rechtsruck seiner Partei entgegenzuwirken. Erneut betont er, es sei das „Verdienst des Engagements der Union“, daß die rechtsradikalen Parteien aus den hessischen Wahlen nicht gestärkt hervorgegangen seien. Erneut betont er auch, die Unterschriftenaktion sei nicht gegen Ausländer gerichtet. Ein Ziel sei es vielmehr, deren Integration zu fördern. „Das hat die Bevölkerung gut verstanden.“

Sie wird weiterhin Gelegenheit haben, ihr Verständnis zu zeigen. Die Kampagne soll weitergehen, so Schäuble, bis das Ziel einer Verhinderung der regelmäßigen Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft erreicht sei. Manche glauben, daß das nicht mehr lange dauern wird. Die Bundesregierung werde schon bald ihre Position räumen, sagte Matthias Wissmann nach der CDU-Vorstandssitzung: „Die Zeiteinheit können Sie in Tagen messen.“

Stiller Triumph malt sich auf vielen Gesichtern in der Bonner Parteizentrale. Bei bestimmten Themen kann nicht einmal der CDU-Vorsitzende seine Genugtuung verbergen. „Die Gefahr, daß die rot-grüne Koalition der Hybris erliegt und glaubt, sie könne nun alles bestimmen und durchmarschieren, diese Gefahr ist nun ein Stück weit gebannt.“ Mit diesen Worten umreißt Wolfgang Schäuble die wohl weitreichendste Folge des hessischen Wahlergebnisses: den Verlust der Mehrheit im Bundesrat für die SPD-geführten Länder.

Von „Blockadepolitik“ spricht der CDU-Politiker in diesem Zusammenhang nicht. Das Wort stammt aus der letzten Legislaturperiode, als die Mehrheitsverhältnisse noch anders waren. Generalsekretärin Angela Merkel drückt sich zurückhaltend aus: das Ergebnis der Landtagswahlen zeige, daß die Deutschen eine Balance zur Bundesregierung wollten. Jürgen Rüttgers allerdings hat Klartext gesprochen. Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine müsse nun das gleiche erwarten, was er selbst gemacht habe, sagte der stellvertretende Fraktionschef in einem Interview. Bislang seien Gesprächsangebote der Union von der Regierung „arrogant zurückgewiesen worden“. Jetzt aber sei „Schluß mit ,wir machen, was wir wollen‘“.

Die CDU-Führungsspitze gibt sich auch mit Blick auf die nächsten Landtagswahlen zuversichtlich. „Wir wollen alle Wahlen gewinnen“, kündigt Schäuble an. Angela Merkel sieht die Union bundesweit wieder im Aufwind. Und Wahlsieger Roland Koch setzt Hoffnung auf die kommenden Generationen. Bei den hessischen Landtagswahlen habe die CDU „große Unterstützung unter jungen Wählern“ gefunden. Den Grünen sagte der designierte Ministerpräsident eine düstere Zukunft voraus: Sie werden „eine alternde Partei“. Bettina Gaus, Bonn