Der Ausstieg kostet uns Peanuts

■ Wolfgang Pfaffenbergers Atomausstiegs-Szenario in der Diskussion

Irgendwann gegen Ende der Diskussion stand Iris Klauk, Mitarbeiterin der Stadtwerke, auf und sagte eher spöttisch als ratlos: „Herr Pfaffenberger, wenn ich Sie hier richtig verstanden habe, so sagen Sie mit Ihrem Gutachten eigentlich nur: Der Ausstieg aus der Atomwirtschaft kostet uns Peanuts – und sozialverträglich ist er auch.“ Kurzes Atemanhalten der Menge im Vortragssaal der Bremer Bürgerschaft, dann ein paar Lacher und Wolfgang Pfaffenberger bedankte sich artig: Ja, letztlich sei der Ausstieg eine Frage des Lebensstils.

Eingeladen hatte die Grüne Bürgerschaftsfraktion den Leiter des Bremer Energie-Instituts (BEI) zu einem Streitgespräch mit Dieter Seifried vom Freiburger Öko-Institut: Die Wissenschaftler sollten doch einmal erklären, wie ihre unterschiedlichen Ausstiegsszenarien zustande kommen. Mit seinem Gutachten für die Vereinigung deutscher Elektrizitätswerke (VdEW) nämlich hatte Pfaffenberger Mitte Dezember 1998 bei der Öko-Szene kräftig angeeckt: „88 Milliarden Mark und 150.000 Arbeitsplätze“ würde der Ausstieg bis zum Jahr 2030 kosten, faßte die Einladung der Grünen nochmals die Horrorzahlen in den Medien zusammen. Ein Gefälligkeits-Gutachten für die Atomwirtschaft habe er verfaßt, wurde dem Professor vorgeworfen – und das in dem einstigen Traube-Institut, das eigentlich einer neuen Energiepolitik auf den Weg helfen soll. Pfaffenberger relativierte jetzt: Auf Mehrkosten im Stromverbrauch runtergebrochen, käme sein Gutachten auf 0,5 Pfennig zusätzlich pro Kilowattstunde, rechnete der Leiter des BEI vor – im Vergleich zum alten Kohlepfennig sei das ja noch zu verkraften, freute sich das Publikum. Und auch bei den kolportierten Arbeitsplatz-Verlusten fühlte sich Pfaffenberger mißverstanden: Er habe von „Beschäftigten“, nicht von Arbeitsplätzen geredet – im Durchschnitt gehe es nur um 20.000 Arbeitsplätze.

Wenn man Dieter Seifried und dem „Energiewende Szenario 2010“ des Freiburger Öko-Instituts glauben will, dann geht es hingegen eher um Arbeitsplätze, die durch den Ausstieg zu gewinnen wären. Und kosten würde die ganze Sache alles in allem auch nichts. Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden Gutachten wurde von der Stadtwerkefrau Iris Klauk wiederum auf den Punkt gebracht: „Herr Seifried hat einfach die politisch korrekte Version eines Ausstiegs entwickelt“. Im Gegensatz zu dem Bremer nämlich gehen die Freiburger nicht von einem Ausstiegs-, sondern von einem Energiewende-Konzept aus. Nicht: Alles bleibt wie es ist, nur die KKWs werden abgeschafft. Sondern: Ein politisch gewollter Ausstieg mit Förderprogrammen fürs Einsparen und für Wind, Wasser und Sonne. Im Bremer Bürgerschaftssaal II müßten dann erstmal die Lampen ausgewechselt werden, so Seifried: Das gleiche Licht ließe sich auch mit 20 Prozent der aufgewendeten Energie erzeugen.

Während Seifrieds Konzept mit einem leichten Wiegen der realpolitischen Köpfe („Und wer zahlt die neuen Lampen?“) letztlich doch abgenickt wurde, mußte sich der Mann vom Bremer Institut „mindestens medienpolitische Naivität“ vorwerfen lassen: „Warum haben Sie im Fernsehen denn nicht gesagt: Der Ausstieg ist billig?“ ritz