Das Portrait
: Der Kandidat der Demokraten

■ Hocine Ait Ahmed

Hocine Ait Ahmed will es wissen. Der 72jährige Vorsitzende der größten nichtreligiösen Oppositionspartei Algeriens, der Front der Sozialistischen Kräfte (FFS), hat sein Schweizer Exil verlassen und kandidiert bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen im April. „Nur eine historische Einigung kann die Zerstörung unseres Landes aufhalten“, rief Ait Ahmed am Freitag auf seiner ersten öffentlichen Veranstaltung in Algier. 15.000 Menschen jubelten ihm zu. Sie alle hoffen auf den Zaim, den Anführer, wie Ait Ahmed seit dem Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich genannt wird. Er ist der letzte noch politisch Aktive aus dem „Komitee der neun Brüder“, das zum Aufstand rief.

Mit 17 Jahren Mitglied der Partei des Algerischen Volkes (PPA), mit 22 Chef der „Organisation Spécial“ (OS), die 1948 für erste bewaffnete Aktionen gegen Frankreich verantwortlich zeichnete, mit 28 einer der intellektuellen Köpfe des Unabhängigkeitskrieges, mit 30 bis zum Kriegsende 1962 in Haft – Ait Ahmed ist für seine Anhänger ein moderner Held.

Seinen Genossen war der charismatische Politiker nie ganz geheuer. 1949 wurde ihm unter dem Vorwurf, ein „Berberist“ und damit Separatist zu sein, der Vorsitz der OS entzogen. Nach der Unabhängigkeit 1962 führte ihn sein Engagement gegen ein Einparteiensystem erneut in die Opposition. Er gründete die FFS. Diese rief gegen die Weggefährten von gestern erneut zu den Waffen. Der Aufstand scheiterte. Ait Ahmed wurde zum Tode verurteilt. In der Nacht zum 1. Mai 1966 floh er aus dem Gefängnis in die Schweiz.

Erst im Dezember 1989 kehrte der Jurist mit einer Doktorarbeit über die Menschenrechte in Afrika unter dem Arm in seine Heimat zurück. Das Einparteiensystem war zusammengebrochen, die FFS legal. Doch nicht Ait Ahmed konnte bei den ersten freien Wahlen im Dezember 1991 von der Unzufriedenheit der Bevölkerung profitieren, sondern die Islamisten der FIS. Die Wahlen wurden durch das Militär abgebrochen. Der Konflikt, der 120.000 Menschenleben gefordert hat, begann.

Ait Ahmed ging wieder in die Schweiz. Vom Exil aus propagierte er die nationale Aussöhnung. Die Machthaber wollten davon nichts wissen. Jetzt geht Ait Ahmed einen Schritt weiter. Er greift nach dem höchsten Amt im Staate, um wie zur Zeiten der französischen Kolonie zu rufen: „Barakat!“ – „Es reicht!“ Reiner Wandler