Proteste gegen Hinrichtung in Manila

■ Die erste Exekution seit 23 Jahren auf den Philippinen bringt Kirche und Menschenrechtler massiv gegen Präsident Joseph Estrada auf

Bangkok (taz) – Für viele Filipinos war es ein Tag der Rache, für eine Minderheit der Rückfall ins dunkelste Mittelalter: Der 38jährige Anstreicher Leo Echegaray wurde gestern durch drei Giftspritzen in der Todeskammer des Zentralgefängnisses in der philippinischen Hauptstadt Manila getötet.

Damit wurde erstmals seit 23 Jahren auf den Philippinen wieder die Todesstrafe vollstreckt. Aus Protest läuteten im ganzen Land die Kirchenglocken. Kritiker der Todesstrafe fanden sich vor dem Gefängnis zum Gebet ein, neben Opfern von Verbrechen, die sich als „Kreuzzug gegen die Gewalt“ sichtlich freuten.

Echegaray hatte bis zuletzt die Vergewaltigung seiner 10jährigen Stieftochter bestritten. Allein Präsident Joseph Estrada hätte die Hinrichtung verhindern können, doch er gehört zu den schärfsten Befürwortern der Todesstrafe.

Der Staatschef ließ bereits am Donnerstag mitteilen, er habe seine Telefonleitung ins Gefängnis gekappt und werde seine Haltung bestimmt nicht ändern. Es gehe ihm sehr gut bei dem Gedanken, daß er der erste Präsident sei, unter dem wieder hingerichtet wird: „Ich fühle mich wohl, weil ich damit viele unschuldige Menschen schützen werde, vor allem unschuldige junge Mädchen.“ Im übrigen habe er das Gnadengesuch Echegarays gar nicht erst gelesen.

Estrada „reitet auf der Welle der öffentlichen Empörung“ über Verbrechen, Gewalt und Unsicherheit, kritisierte die Frauenrechtlerin Nelia Sancho die Haltung des Regierungschefs. „Die Todesstrafe wird die Menschen gegen das Töten noch weiter abhärten“, heißt es in einer Erklärung von 27 philippinischen Frauenorganisationen. Doch Estrada weiß die Mehrheit der überwiegend katholischen Bevölkerung auf den Philippinen hinter sich. Umfragen zufolge befürworten vier Fünftel die Todesstrafe, die nach der Marcos-Diktatur 1987 abgeschafft, 1994 jedoch wieder eingeführt wurde. „Auch viele Frauen sind für die Todesstrafe“, sagt Nelia Sancho.

Auf den Philippinen schreibt das Gesetz die Todesstrafe für bestimmte Verbrechen zwingend vor, für andere kann sie verhängt werden. Die Mehrheit der zum Tode Verurteilten sind Vergewaltiger. Kritiker wie der Abgeordnete Roan Libarios prophezeien: „Wir haben derzeit über 900 Gefangene in den Todeszellen. Wenn wir sie nacheinander exekutieren, würde es drei Jahre dauern, bis wir sie alle umgebracht haben. Und wenn wir mit den 900 fertig sind, dann warten vermutlich schon wieder 1.000 Gefangene auf ihre Hinrichtung.“

Erzbischof Oscar Cruz sprach von einem dunklen Tag für die Philippinen. Erbittert schlug er vor, daß die Menschen sich künftig nicht mehr wie üblich zum Gruß „Mabuhay!“ (Langes Leben) wünschen sollten. Statt dessen sollten sie lieber „Mamatay!“ sagen: „Stirb!“ Jutta Lietsch