Vom Boy Wonder zum Stern des Nordens

■ Verdienstvoller Mann der britischen Popgeschichte: Roddy Frame spielt in der Columbiahalle

Schaut man sich Roddy Frame auf dem Cover seines Albums „The North Star“ an, mag man eigentlich nicht glauben, daß er schon fast zwanzig Jahre Popgeschichte auf seinen schmalen Schultern herumträgt: Schlaksig und lässig steht er da, die Hände hat er in den Taschen seiner weiten Hose versteckt, und das Hemd lugt zweizipfelig unter dem blauen Pullover hervor.

Und es dauert dann auch eine Weile, bis bei der Nennung seines Namens der Groschen der Erkenntnis fällt. Roddy Frame, klar, das war doch dieser unwirsche und etwas abgedrehte junge Bengel, der der schottischen Band Aztec Camera vorstand. Zwei Singles gab es von denen 1981 beim legendären Postcard-Label, und die wurden, wie damals schon auf den Inseln üblich, über die Maßen abgefeiert.

Aztec Camera brauchten zwei weitere Jahre, um mit „High Life, Hard Rain“ ihr Debütalbum zu veröffentlichen; ein Album, das man gern zu den wichtigsten der frühen Achtziger zählt, das nie vergessen wird, wenn mit ABC, Soft Cell, Haircut One Hundred oder Orange Juice des großen Achtziger-Jahre-Pop gedacht wird, und das Musik wie sie The Smiths und Prefab Sprout unmittelbar danach machten, den Boden bereitete: Antirockismus, intelligenter Twingel-twangel-Gitarrenpop rauf und runter, und Frame, der mit schmachtender Stimme so frühreife lyrics sang wie „I'm lost here by myself, and lost outside myself, but we were not to blame, we're not the same“.

Auch wenn Aztec Camera später noch einen Haufen Singles in den britischen Charts hatten, konnten sie dann nie mehr das halten, was sie mit „High Life, Hard Rain“ versprochen hatten (Was im übrigen auch für ABC, Haircut One Hundred oder den Pale Fountains galt, der Fluch der frühen Jahre halt). Roddy Frame allerdings tat auch alles mögliche, um seine ersten Spuren zu verwischen und provozierte haufenweise Mißverständnisse. So ließ er ein Jahr später den Nachfolger von Dire Straits' Mark Knopfler produzieren, experimentierte mit R&B- und Soulversatzstücken, coverte Van Halens „Jump“ und verglich diesen Song mit Velvet Undergrounds „Sweet Jane“. Ein Musikmusiker, der zwar gerne den Begriff Pop für seine Musik gelten ließ, um keinen Preis aber Popstar sein wollte.

Wenn man so will, ist „The North Star“ nun Frames erstes Soloalbum. Großer Alter-Männer- Pop, der in seinen besten Momenten, in Songs wie „Back To One“ oder „Reason For Living“, an frühe Aztec-Camera-Tage erinnert. Vor seinem alten Postcard- Weggefährten Edwyn Collins beispielsweise braucht Frame sich damit nicht zu verstecken, schon gar nicht vor Sheryl Crow, deren Vorprogramm Frame heute abend bestreitet. Was ihm allerdings fehlt, um einen ähnlich schönen zweiten Frühling wie Collins zu haben, ist natürlich ein „A Girl Like You“, ein Song allerdings den man sowieso nur alle hundert Jahre einmal schreibt. Gerrit Bartels

Ab 21 Uhr, Columbiahalle, Columbiadamm 8–11, Tempelhof