Die Schonfrist für Kenias Präsident Moi ist vorbei

■ Proteste gegen die illegale Vergabe von Bebauungsrechten in einem geschützten Wald

Nairobi (taz) – Nach dreitägigen, gewalttätigen Studentenprotesten sind seit Montag abend die beiden Universitäten der kenianischen Hauptstadt Nairobi geschlossen. Die teilweise in Straßenschlachten mit der Polizei ausartenden Demonstrationen hatten am Samstag nahe dem umstrittenen Karura-Waldgebiet in einem Vorort Nairobis begonnen. Das Schicksal des letzten geschützten natürlichen Waldgebietes der Stadt bewegt schon seit einigen Monaten die kenianische Öffentlichkeit; am Wochenende schlossen sich erstmals auch die Studenten dem Protest an.

Der von den einheimischen Medien inzwischen „Karura-Saga“ genannte Streit begann im vergangenen Oktober, als einige prominente Oppositionsabgeordnete und die Sprecherin der Umweltbewegung „Green Belt Movement“, Wangari Maathai, in den von Baubetrieben eingezäunten, acht Quadratkilometer großen Karura- Wald eindrangen und Baumaschinen und Häuser anzündeten. Schnell wurde klar, daß Baugenehmigungen für Wohnblocks in dem Schutzgebiet illegal gegeben worden waren, und die Finger wurden schnell auf die üblichen Verdächtigen gerichtet. Illegale Landvergabe an hochrangige Politiker durch den Staat ist in Kenia gang und gäbe, doch was diesen Fall zu einem Politikum werden ließ, war die Dreistheit der Regierung, die alles zu vertuschen suchte, und die Hartnäckigkeit der 58jährigen, international bekannten Umweltschützerin Wangari Maathai.

Als die unabhängige Tageszeitung Daily Nation im November im Katasteramt nachforschte, waren auf einmal die entsprechenden Akten verschwunden, und die Regierung weigert sich noch immer bekanntzugeben, an welche Firmen die Grundstücke vergeben wurden. Einer der Hardliner im Kabinett, Umweltminister Francis Lotodo, ließ verlauten, solange er Minister sei, würden die Baupläne nicht rückgängig gemacht.

Wangari Maathai pilgerte in den folgenden Monaten unermüdlich zu dem Wald, pflanzte zusammen mit ihren Aktivisten neue Bäume und goß sie unter den Augen der Kameras und Fotoapparate der einheimischen Medien. Am 8. Januar wurde sie dort von Wachmännern einer privaten Sicherheitsfirma verprügelt, was internationale Proteste, unter anderem des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan, auslöste.

Die demonstrierenden Studenten forderten nun die Rücknahme der Vergabe von Bebauungsrechten und den Rücktritt des Umweltministers Lotodo. Kenias Präsident Daniel Arap Moi äußerte sich am Montag erstmals zu dem Streit um den Karura-Wald. Er wunderte sich, warum die Frage soviel Emotionen ausgelöst habe, seien doch viele andere Viertel Nairobis dort entstanden, wo vorher Wald gewesen sei, sagte er, und er machte Haß und Tribalismus der Umweltaktivisten für die Eskalation verantwortlich – eine Anspielung auf die Bevölkerungsgruppe von Wangari Maathai und des Safina-Parteichefs Paul Muite, die den Protest anführten. Kenias politische Szene ist seit der Einführung des Mehrparteiensystems Anfang der neunziger Jahre stark von ethnisch begründeten Parteien geprägt. Die ehemalige Einheitspartei und heutige Regierungspartei Kanu vertritt die Interessen gewisser kleiner Bevölkerungsgruppen, während die einzig ernstzunehmenden Oppositionsparteien, Safina und Democratic Party, sich auf die Unterstützung des großen Kikuyu-Volkes verlassen. Daher vermengt sich Opposition zur Kanu- Regierung automatisch mit Tribalismus.

Gestern war Nairobi vorerst wieder ruhig. Doch daß sich mehrere tausend Studenten plötzlich dem Umweltprotest anschlossen, zeigt, daß die Schonfrist für Präsident Moi nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende 1997 zu Ende sein dürfte. Die versprochene Reform der Verfassung kommt nicht recht vom Fleck, und die wichtigste Frage in Kenia, die Nachfolge von Moi nach seinem angekündigten Rückzug vom höchsten Staatsamt 2002, ist ungeklärt. So können jetzt, wie im gesamten Jahr vor den Wahlen, kleine Anlässe zu blutigen Auseinandersetzungen führen. Peter Böhm