Atomstreit irritiert hessische Grüne

■ Basis befürchtet negative Auswirkungen auf Landtagswahlkampf

Frankfurt (taz) – „An den Wahlkampfständen werden wir es jetzt sehr schwer haben“, sagt Albrecht „Albi“ Kündiger, grünes Urgestein aus dem hessischen Landkreis Main-Taunus und dortiger Kreistagsfraktionschef. Der „atompolitischen Eiertanz“ der Koalition in Bonn um den Atomausstieg sei „katastrophal in der Außenwirkung“. Kündiger: „Ab heute befinden wir uns in der Defensive.“ Bundeskanzler Schröder habe am Dienstag klar gesagt, was gehe – und was nicht. Und er habe dafür gesorgt, daß jeder Castor wenigstens noch bis zum Jahre 2002 – dem Ende der Legislaturperiode – den Stempel trage: „Genehmigt von Jürgen Trittin.“

Dabei sei dem Bundesumweltminister inhaltlich überhaupt kein Vorwurf zu machen, räumt Kündiger ein. Der Mann habe nur seinen Job gemacht und versucht, die Koalitionsvereinbarungen umzusetzen. Aber gerade Trittin und andere Spitzenpolitiker der Partei hätten den ausstiegswilligen WählerInnen, der eigenen Basis und der Bewegung lange verschwiegen, „daß der Ausstieg von uns allen große Opfer fordert“. Jetzt müßten „im Krebsgang“ Positionen geräumt werden. Das sei „schmerzlich und gerade im Wahlkampf kontraproduktiv“.

Das sieht Christian Flöter ähnlich. Er ist Geschäftsführer der Bündnisgrünen im Kreisverband Darmstadt-Dieburg. Potentielle WählerInnen der Partei, die an einen raschen Atomausstieg glaubten, könnten jetzt zu der Auffassung gelangen, „daß wir in Bonn über den Tisch gezogen wurden“. Bislang hätten andere Themen die Debatten an den Wahlkampfständen geprägt. Die Unterschriftensammlung der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft etwa; die Ökosteuer oder der Flughafenausbau. „Jetzt lesen uns dort vielleicht die Atomkraftgegner die Leviten“, befürchtet Flöter.

Im Headquarter der Bündnisgrünen im Wiesbaden demonstrierte Landesgeschäftsführer Jens Kröcher gestern „Gelassenheit“, trotz der „Managementfehler“, die in Bonn gemacht worden seien. Die hätten an der Basis zwar für „Irritationen“ gesorgt. Doch jetzt sei der „Einstieg in den Ausstieg“ beschlossene Sache. Noch in dieser Legislaturperiode würden die ersten Atommeiler stillgelegt.

„Schönrederei“ nannte das sein Parteifreund „Albi“ Kündiger. Über Restlaufzeiten sei schließlich in Bonn noch nicht einmal gesprochen worden. Kröcher konterte: Das hessische AKW Biblis Block A werde ohnehin nicht Gegenstand der nächsten Konsensgespräche werden. Das Monieren von Sicherheitsmängeln sei Ländersache; von Jürgen Trittin erwarte man dann den Verzicht auf eine atomrechtliche Weisung gegen eine eventuelle Stillegungsverfügung der Landesumweltministerin Priska Hinz (Grüne). „So bekommen wir hier in Hessen das AKW Biblis A vom Netz – ganz autonom.“ Klaus-Peter Klingelschmitt