Großbritannien hat doch den Größten

British Aerospace kauft die Landsmänner von Marconi und wird damit zum größten Rüstungskonzern Europas. Deutsche Dasa bei den Luftfahrtfusionen erst einmal außen vor, ein EU-Waffenkonzern ist außer Sicht  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Die Karten auf dem europäischen Rüstungs- und Luftfahrtmarkt müssen neu gemischt werden. Gestern haben die Briten Gerüchte über die größte Fusion in der Geschichte der europäischen Waffenbranche bestätigt: British Aerospace geht mit Marconi Electronics zusammen, einer Tochter der britischen General Electric Company (GEC, nicht zu verwechseln mit dem US-Riesen General Electric).

Die BAe zahlt mit eigenen Aktien im Wert von satten 21,7 Milliarden Mark. Daher werden die Aktionäre der GEC künftig auch noch 36,7 Prozent der Anteile von British Aerospace halten. Es entsteht ein Konzern mit einem Gesamtumsatz von etwa 54 Milliarden Mark, darunter ein Rüstungsanteil von knapp 27 Milliarden Mark. Damit sind sie in der Rüstungsbranche weltweit die Nummer zwei hinter Lockheed Martin und vor dem Luft- und Raumfahrtriesen Boeing.

BAe hält 20 Prozent am Airbus- Konsortium und baut zum Beispiel Teile des Tornado-Kampfbombers und des Eurofighters. Marconi ist ein Spezialist für Militärelektronik. Zusammen beschäftigen die beiden weltweit 99.000 Menschen. In Europa liegen sie mit ihrer Größe künftig weit vor allen anderen. So beläuft sich das Rüstungsgeschäft der deutschen Nummer eins, Dasa (heißt jetzt DaimlerChrysler Aerospace), auf 4,6 Milliarden Mark bei einem Gesamtumsatz von 14,3 Milliarden.

Die BAe hat also die „UK first“-Lösung bevorzugt. Dabei waren andere Konzerne gegen eine innerbritische Fusion. Diese hat auch Auswirkungen auf den mit der Rüstungsbranche verflochtenen zivilen Luftfahrtmarkt. Dort geht es um die Neustrukturierung des Airbus-Verbands. Vor allem die Dasa sprach sich immer für eine gesamteuropäische Lösung aus: Zuerst fusionieren die deutschen Flugzeugbauer mit der British Aerospace, so das Kalkül. Dann würden die Franzosen in Form des dortigen Airbus-Teilhabers Aérospatiale schon folgen. Nun haben die Briten das Angebot der Dasa faktisch ausgeschlagen. „Eine bilaterale Fusion zwischen der Dasa und der British Aerospace ist jetzt sehr unwahrscheinlich“, sagte ein Sprecher der Dasa gestern. Wie es nun weitergehen soll, kann noch niemand sagen. „Wir werden unsere europäische Vision dennoch weiterverfolgen“, so der Dasa-Sprecher. Schließlich gilt es, dem größeren Konkurrenten Boeing Paroli zu bieten. Dies ist nach Meinung der Luftfahrt- Manager nur mit einem vereinten, vollständig privatisierten Airbuskonzern möglich. Derzeit ist Airbus ein Verbund von vier Unternehmen, darunter die staatlich beherrschte Aérospatiale.

In den USA reagierte die Rüstungsbranche schneller auf das Ende des Kalten Krieges und weltweit schrumpfende Stückzahlen bei Raketen und Kampfflugzeugen. Nach diversen Aufkäufen und Firmenehen gibt es dort nur noch vier bedeutende Konzerne auf dem Markt. Nach einigem Zögern läuft seit einem Jahr auch das europäische Fusionskartell schneller. Die großen Potpourris wurden jedoch vor allem auf nationaler Basis gemixt: So bündelten sich vergangenen April die französischen Rüstungstöchter von Aérospatiale, Alcathel Alsthom, Dassault und Thomson unter dem Namen Thomson-CSF. Und Ende Juli kündigte Frankreich an, die entsprechenden Sparten seiner Staatsbetriebe Lagardère und Aérospatiale zusammenzulegen.

Am 10. Juli 1998 forderten sechs Minister der EU die schnellstmögliche Konzentration der EU-Rüstungskonzerne, um dem US-Unternehmen Paroli zu bieten. Das ist weniger in Sicht denn je.