Hessen als Ökomusterland

■ Umwelt- und Verbraucherverbände fordern ein „neues Leitbild in der Agrarpolitik“ und zehn Millionen Mark Fördermittel für Werbung

Wiesbaden (taz) – Hessen soll das Musterland für den ökologischen Landbau und die artgerechte Tierhaltung in Deutschland werden – in fünf Jahren. 2004 könnten 10 Prozent der Anbaufläche des Landes nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftet werden, das wären 8,5 Prozent mehr als heute. Das jedenfalls meinen der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund (Nabu), die Vereinigung ökologischer Landbau (VÖL) und die Verbraucherzentrale in Hessen, die sich im Vorfeld der hessischen Landtagswahl am 7. Februar zu einer Aktionsgemeinschaft zusammengeschlossen haben.

Voraussetzung seien allerdings eine entsprechende Förderung umstellungswilliger Landwirte und der Entwicklung neuer Marketingstrategien für den Absatz der Produkte. Auch der Bau von artgerechten Stallungen für die Tierhaltung gehöre untrennbar zu einem solchen Programm der „Neuausrichtung der hessischen Landwirtschaftspolitik“.

Entsprechend will die Aktionsgemeinschaft den Landespolitikern ein „neues Leitbild in der Agrarpolitik“ vermitteln, wie Michael Rothkegel vom BUND gestern in Wiesbaden erklärte: „Wir müssen weg vom konventionellen Landbau mit all seinen Problemen – und hin zu einem ganzheitlichen Ökolandbau.“

Rund zehn Millionen Mark an Fördermitteln aus der sogenannten Grundwasserkampagne in Hessen seien für eine Marketingkampagne ausreichend, glaubt Gerald Wehde vom VÖL. Damit könne man mehr Verbraucher in die Naturkostläden, zu den Direktvermarktern auf den ökologisch bewirtschafteten Bauernhöfen und in die Supermärkte locken, die schon (verbands-)kontrollierte Ware aus Ökolandbau und artgerechter Tierhaltung anbieten. Und eine größere Nachfrage animiere automatisch mehr Bauern zur Umstellung.

Weiter biete die Agenda 2000 den Bundesländern demnächst die Möglichkeit, für eine Übergangszeit EU-Mittel gezielt an Bauern auszuschütten, die ihre Produktionsweise umstellen wollen. Gerade Hessen habe mit seinen Staatsdomänen und dem verpachteten „domänenfiskalischen Streubesetz“ die große Chance, bei der Umstellung auf Ökolandbau eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Tatsächlich wirtschaften einige der Domänen, wie etwa die Staatsdomäne Mechtildshausen bei Wiesbaden, bereits nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus und der artgerechten Tierhaltung. Und das durchaus sehr erfolgreich: Der Hofladen und das der Domäne angeschlossene Restaurant sind inzwischen erste Adressen für Gourmets nicht mehr nur aus der Region. Für Hartmut Mai vom Nabu ist jetzt die Domäne Kloster Eberbach fällig: „Ökologischer Weinbau in der weltweit berühmten Staatsdomäne im Rheingau: das wäre ein Signal an alle Winzer weit über die Grenzen des Landes hinaus.“

Das würde auch Christiane Schäfer von der Verbraucherzentrale gut gefallen, der es vor allem um den „aktiven Gesundheitsschutz“ der Konsumenten geht. So forderte sie die Landesregierung auf, die Kennzeichnungspflicht für die mit Gentechnik hergestellten Lebensmittel und Futtermittel unbedingt beizubehalten und dafür zu sorgen, daß auch ohne Gentechnik entwickelte Saatgutlinen erhalten bleiben. „Erhalt der Wahlfreiheit des Verbrauchers“ nannte das Schäfer. Klaus-Peter Klingelschmitt