■ Schnittplatz
: Widerstand mit Sahne

Die Sozialdemokraten gelten ja neuerdings als gewandt, weltoffen und sogar modern. Ihre Gegenspieler gelten hingegen plötzlich wieder als das, was wir noch aus den Siebzigern kennen, als sie auch keinen Kanzler stellten: spießig, anachronistisch und irgendwie unmodern.

Was Pierre Bourdieu die drohende Entwertung von kulturellem Kapital nennt, drückt FAZ- Leser Siegfried Thieler aus Düsseldorf so aus: „Ihre Einrichtung des Radio-Tagebuchs ist ein kleines, aber deutliches Leuchtfeuer im Meer einer entschwindenden Kultur.“ Seine Zeitung hat gerade eine tägliche Hörfunkseite eingerichtet, und wenn Leute wie Thieler schon in den Talkshows aller Kanäle ausgelacht werden, freuen sie sich doch, wenn es wenigstens noch Radiosendungen für FAZ-Leser gibt. „Als langjährigem Leser der F.A.Z. ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen für diese Initiative aufrichtig zu danken“, teilt Leser Prof. Dr. Bernhard Klaus aus Erlangen mit, und Dr. Peter v. Tuckteschell aus Hinterzarten schließt sich an: „Endlich. Sie wagen etwas, was ich nicht mehr für möglich gehalten habe. Neue Hoffnung zieht ein, daß wir allesamt noch nicht ganz auf dem Weg in die absolute Werbungs-Verblödung sind.“

Anführer der radiohörenden Akademiker mit FAZ-Abo ist Frank Schirrmacher, Mitherausgeber des Blattes und verantwortlich für die Vergrößerung des Feuilletons, die die Leser so ins Mark ermutigte. „Diese Erweiterung ist ein Akt des Widerstands“, hatte er geschrieben. Zugleich aber kann der Mann seine zum Aufruhr bereiten Leser nur warnen. Seinen Hinweis, das Abdrucken von Hörspielterminen sei ein „Akt des Widerstands“, relativierte Schirrmacher prompt, dies sei freilich „kein heroischer, nicht mal ein ausreichender“, bloß ein Widerständchen quasi. Darüber sollten die aufmüpfigen FAZ-Leser, so sie nicht als Ewiggestrige verlacht werden wollen, einmal nachdenken: Das Heroische eines Widerstandes ist bloß das Sahnehäubchen auf dem ausreichenden Widerstand; wenn kein Erfolg da ist, gibt's noch nicht mal Helden, bloß FAZ-Leser. Martin Krauß