Friedenstruppe für den Balkan gegründet

■ Von der Streitmacht erhoffen sich die beteilgten Länder eine Stabilisierung der Konfliktregion

Berlin (taz) – Seit dem 12. Januar 1999 gibt es eine neue militärische Größe: die Multinationale Friedensstreitmacht Südosteuropa. In Athen unterzeichneten die Verteidigungsminister der beteiligten Länder das Gründungsabkommen. Geplant ist eine Brigade mit Kontingenten der Nato- Länder Italien, Türkei und Griechenland sowie von vier Staaten, die durch die „Partnerschaft für den Frieden“ mit der Nato kooperieren: Albanien, Bulgarien, Makedonien, Rumänien.

Die Truppe ist laut Gründungsabkommen vor allem für die Absicherung humanitärer Hilfsaktionen und die Waffenstillstandsüberwachung gedacht und soll für solche Missionen bis zu 4.000 Mann abstellen. Wie der griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatsopoulos betonte, soll die Truppe im Auftrag internationaler Organisationen – vor allem der Nato – tätig werden, die sich „im Rahmen der internationalen Legalität“ bewegen. Mit der Einsatzfähigkeit der Brigade ist nicht vor Jahresende zu rechnen. Ihr Hauptquartier wird für vier Jahre im bulgarischen Plovdiv eingerichtet. Den Oberbefehl hat für zwei Jahre ein türkischer Offizier, für dieselbe Zeit übernimmt Griechenland den Vorsitz im politisch-militärischen Komitee.

Obwohl mit der Bezeichnung „Friedensstreitmacht Südosteuropa“ der Begriff Balkan vermieden wurde, ist offensichtlich, daß die Gründung der Friedenstruppe der Sorge der beteiligten Länder um die Stabilität der Balkanregion entspringt. Ob die Truppe bei aktuellen oder künftigen Konflikten eine praktische Rolle spielen kann, wird von der jeweiligen Konfliktkonstellation abhängen. In Athen deuteten alle Verteidigungsminister an, daß ihnen eine Rolle im Kosovo unwillkommen wäre, zumal Albanien an diesem Konflikt zumindest indirekt beteiligt ist.

Die Unlust, sich als Friedenstruppe für den Kosovo anzubieten, verweist auf die begrenzte Einsatzreichweite des politisch heterogenen Unternehmens. Aber auch wenn die Brigade zunächst nur symbolische Bedeutung haben wird, ist ihr politisches Gewicht nicht zu unterschätzen. Ihre Existenz zeigt, daß Griechenland, Makedonien und die Türkei – die schwere bilaterale Probleme hatten bzw. noch haben – sich in der Einschätzung des Kosovo-Konflikts im Grunde einig sind. Sie sehen in der Autonomie, die sie für den Kosovo befürworten, eine Versicherung für die territoriale Integrität ihrer Staaten gegen reale oder eingebildete separatistische Bestrebungen. Daß die Auffassungen und Interessen der einzelnen Partner damit noch nicht harmonisiert sind, wird sich beim weiteren Aufbau und der Einsatzplanung zeigen. Die mühselige Einigung über Hauptquartier und Oberbefehl hat gezeigt, daß Rivalitäten durch eine gemeinsame „Friedenstruppe“ nicht aus der Welt geschafft sind. Niels Kadritzke