Die SPD-Brandmauer wankt

■ Bundesbildungsministerin Bulmahn verzichtet darauf, Baden-Württembergs Studiengebühren zu verbieten. Ihre SPD-Kollegin Behler erwägt erstmals auch für NRW das bezahlte Studium

Freiburg (taz) – Edelgard Bulmahn steht bei den Studenten im Wort. Als die Bildungsministerin noch in der Opposition saß, hatte Bulmahn versprochen, daß eine SPD-Regierung Studiengebühren verbieten werde. Kaum war die Frau im Amt, wurde sie von ihrem eigenen Landesverband kalt erwischt: Ausgerechnet in Niedersachsen, wo sie SPD-Landesvorsitzende ist, beschloß die Regierung, eine „Rückmeldegebühr“ von 100 Mark einzuführen. Die meisten Studenten betrachten dieses auch in Berlin und Baden-Württemberg erhobene Eintrittsgeld als verkappte Studiengebühr.

Die frischgebackene Ministerin wollte sich aber nicht gegen die niedersächsische Gebührenvariante stark machen – die erste Enttäuschung für Studenten. Man müsse, ließ sie ihre Sprecherin Sabine Baun die Differenz markieren, zwischen Rückmelde- und Studiengebühren unterscheiden. Den Begriff „Studiengebühren“ will die Ministerin nur für solche Gebühren gelten lassen, die „wegen ihrer Höhe Studenten von einem Studium abhalten“.

Eine derartige Gebühr gibt es nur im Südwesten. Zusätzlich zu den 100 Mark kassiert Baden- Württemberg seit 1. Oktober 1998 von jedem „Langzeitstudenten“ 1.000 Mark pro Semester – sobald die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschritten ist.

Gegen die Gebühren im Ländle wollte Bonns neue Bildungsministerin vorgehen, und zwar durch ein generelles Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz (HRG). Das HRG wäre eigentlich der einfachste Weg: Es muß von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden – dank der SPD-Mehrheit in der Länderkammer ein sicheres Verfahren.

Jusos werfen Bulmahn „Wortbruch“ vor

Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) stemmte sich vorsorglich dagegen. Es sei als Eingriff in die Länderkompetenzen anzusehen, wenn Bonn die Studiengebühren per Bundesgesetz verbieten würde. Teufel drohte, das Gesetz notfalls vom Bundesverfassungsgericht stoppen zu lassen.

Schließlich, so die Argumentation der Landesregierung, habe der Bund in der Hochschulpolitik keine „materielle Regelungskompetenz“, und darunter falle auch das Verbot von Studiengebühren.

Bei Edelgard Bulmahn kam die Drohung an. Sie will das Verbot von Studiengebühren nun nicht mehr ins HRG schreiben, kündigte sie an, sondern es über einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern regeln. Damit wäre sie aber auf die Zustimmung Baden- Württembergs angewiesen. Den Jusos hat allein schon Bulmahns Ankündigung eines Staatsvertrags genügt, um ihr „Wortbruch“ vorzuwerfen.

Der Konflikt ist jedenfalls programmiert. Im Stuttgarter Wissenschaftsministerium weigert man sich strikt, auf die 1.000-Mark-Gebühr zu verzichten. „Das ist für uns ein Lenkungsinstrument“, erklärt Ministeriumssprecher Gunter Schanz. „Wir wollen damit nicht Geld eintreiben, sondern die Studenten zu einem zügigen Studium anhalten.“ Grundsätzlich ist Baden-Württemberg zu einem Staatsvertrag bereit – vorausgesetzt, im Südwesten bleibt alles beim alten und die Gebühr erhalten. Ein Staatsvertrag hätte für Stuttgart auch den Vorzug, nicht vors Verfassungsgericht ziehen zu müssen — „und damit das Restrisiko einer Niederlage auszuschalten“, wie der Sprecher des Wissenschaftsministers Klaus von Trotha (CDU) erklärt.

In Stuttgart wertet man Bulmahns Kompromißbereitschaft als erstes Anzeichen dafür, daß Bonn in der Frage von Studiengebühren „zurückrudert“. „Das ist völliger Quatsch“, empört sich Sabine Baun vom Bildungsministerium. Die Ministerin sei „bei den Studiengebühren sehr klar“, sagt Baun. „Da gibt's keine Manövriermasse.“ Bulmahns Zusage gelte nach wie vor, daß es „für die Erstausbildung an einer Hochschule keine Gebühren geben darf“. Nach Ansicht der Bonner Bildungsministerin ist es nicht hinnehmbar, daß man Studenten bestraft, weil sie zu lange studieren, wenn die Rahmenbedingungen für ein schnelles Studium bei überfüllten Seminaren oder veralteten Bibliotheken gar nicht gegeben seien.

Dennoch bröselt die SPD- Brandmauer gegen Gebühren. Nicht allein Bulmahns Widerstand läßt nach. Am Montag hat erstmals auch Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Gabi Behler (SPD) in einem Interview Gebühren erwogen. Auf das Nein aus NRW zum Bezahlstudium hatten die Studierenden zählen können. Bisher jedenfalls. Markus Grill