Kunzelmann kurz vor der Reinkarnation?

■ Nach einem Pressebericht gibt es ein Lebenszeichen von Dieter Kunzelmann. Seinen „Vertrauten“ soll der Verschollene sein Wiederauftauchen angekündigt haben – die aber wissen von nichts

Berlin (taz) – Der Berliner Ex- Kommunarde und APO-Veteran Dieter Kunzelmann gibt der Öffentlichkeit, aber auch seinen Freunden weiter Rätsel auf. Gut ein Jahr nach seinem mysteriösen Verschwinden, dem er die eigene Todesanzeige folgen ließ, meldet jetzt der Stern: „Kunzelmann aufgetaucht“. Der 59jährige, den in Berlin eine elfmonatige Haftstrafe wegen wiederholter Eierwürfe auf den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen erwartet, habe sich in einer handschriftlichen Mitteilung an „Vertraute in Deutschland“ gewandt und sein Wiederauftauchen in diesem Frühjahr angekündigt. Seinen derzeitigen Zustand schildere er spaßhaft als „scheintot“.

Kunzelmann, zuletzt geliebt-gehaßter politischer Alleinunterhalter mit scharfsinnig-querulatorischen Zügen, hatte im Dezember 1997 die letzten handgeschriebenen Seiten seiner Autobiographie „Leisten Sie keinen Widerstand!“ beim Berliner Transitverlag abgeliefert. Kurz danach war er verschwunden. Im April hatte er mit dem Text einer Todesanzeige in der Berliner Zeitung die Vermutung nahegelegt, er habe seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Seitdem fehlt auch vielen engen Freunden und Bekannten jegliche Spur von ihm. In der Berliner Szene gehen deshalb die Spekulationen auseinander, ob Herr K-Punkt, wie Kunzelmann sich gerne nannte, längst tot ist oder ob er an einem geheimen Ort seine medienwirksame Reinkarnation vorbereitet.

Die gestrige Nachricht eines ersten Lebenszeichens löste im Bekanntenkreis von Herrn K-Punkt Irritation aus. „Es wäre wunderbar, wenn es denn stimmte“, kommentierte Rainer Nitsche, Herausgeber und Lektor der Kunzelmann-Autobiographie, die Stern- Meldung. „Nur ist das eine Nachricht, wie wir sie alle zwei, drei Wochen über Dieter hören.“ Denkbar wäre ein solches Lebenszeichen schon, nur habe bei ersten Umfragen in Kunzelmanns Bekanntenkreis niemand von der Existenz einer solchen Mitteilung gewußt, geschweige denn sie selbst gesehen.

Der Stern versichert, das Lebenszeichen sei authentisch. Nähere Angaben über den Inhalt, den Adressaten oder das Datum der Mitteilung wollte man jedoch nicht machen. Beobachter zeigten sich verwundert darüber, daß die Meldung „so dürr“ sei. Stern-Redakteurin Edith Kohn recherchiere schließlich schon seit Kunzelmanns Verschwinden hinter ihm her und sei dabei im Bekanntenkreis des APO-Veteranen, gelinde gesagt, nicht auf Begeisterung gestoßen. Daß nach so langer Recherche nur eine knappe Meldung herausgekommen ist, deren Neuigkeitsgehalt sich auf einige wenige Zeilen beschränkt, läßt die Mythen um „Leben oder Tod“ des Dieter Kunzelmann weiter gedeihen. Dem Politclown ist damit, ganz seiner Natur entsprechend, weitere Medienaufmerksamkeit sicher. Vera Gaserow