■ Die CDU/CSU-Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft
: Der Ausländer als Verwaltungsproblem

Ist es nicht interessant, daß sich die gesamte Staatsbürgerrechtsdebatte wieder um den Begriff der Integration dreht? Alle Beteiligten wollen sie ja angeblich, und insofern ist offenbar auch allen klar, daß an massenhaften Einbürgerungen wohl kein Weg mehr vorbeiführt. Es geht also ans Eingemachte, und da muß „Multikulti“ offenbar dran glauben.

Einbürgerung heißt hier wie dort immer noch volle Anpassung an die „Identität des deutschen Staatsvolkes“. Nur wie man diese Anpassung bewerkstelligt, darüber herrscht noch Uneinigkeit. Zunächst versucht man – und da sind sich bayerische Landesregierung und das Innenministerium durchaus einig – noch schnell die schlechten ins Kröpfchen zu tun: Wenn es um Kriminalität geht, das hat der zutiefst symbolische Fall „Mehmet“ gezeigt, dann ist „Ausländer raus“ offenbar – von rechts bis halblinks – konsensfähig wie selten zuvor.

Was die verbliebenen „Guten“ betrifft, so beklagt man links die Defizite der „Ausländer“ (sie beherrschen „unsere“ Sprache nicht) und baut auf Erziehung – wobei noch nicht klar ist, ob das Ergebnis ein Bürger oder ein Deutscher sein soll. Die Union baut auf... ja was eigentlich? Auf eine Art wunderbare Verwandlung? Seit 40 Jahren betreibt die Bundesrepublik eine Politik, die dafür sorgt, daß Migranten „Ausländer“ bleiben. Die letzten vierzehn Jahre hat die Regierung Kohl vornehmlich aufgeschoben, blockiert und verschärft. Und jetzt steht man da und hat nichts anderes zu sagen als: nicht integriert, zu teuer, zu unsicher. Kurz und mit Stoiber gesagt: Terror.

Nicht nur die widerwärtige Kampagne der Union, sondern die gesamte Debatte weist ein erschütterndes Defizit auf, was die Vorstellungen von Demokratie und Bürgerschaft betrifft. Anstatt den Zeitpunkt zu nutzen, um eine einigermaßen vernünftige Diskussion über die Grundlagen von Mitgliedschaft und über das politische Selbstverständnis der Bundesrepublik zu führen, geht es immer noch nur um das Verwaltungsproblem „Ausländer“, das man nach Belieben hin und her schieben kann.

Die Ansprüche auf völlige Anpassung, die Abschiebung eines in Deutschland geborenen Jugendlichen, die Kampagne der CDU und CSU: Die Ereignisse der letzten Monate haben bei den Migranten ganz bestimmt die Identifikation mit der Bundesrepublik immens erhöht. Wer würde sich da nicht auf das „Geschenk“ der Einbürgerung freuen. Mark Terkessidis

Der Autor lebt als freier Journalist in Köln