Analyse
: Der letzte Saurier

■ Suhrkamp verkauft Nomos, und Siegfried Unseld wird Alleinherrscher

Siegfried Unseld gilt als der letzte Dinosaurier des Verlegerzeitalters. Er scheint mit seinem Verlag so identisch zu sein, daß man sich das Unternehmen ohne ihn nicht vorstellen kann. Er selbst wohl auch nicht – und das ist das Problem. Nun hat Unseld erst einmal die Mehrheitsanteile am Suhrkamp-Verlag übernommen. Mitgesellschafter Andreas Reinhart, der bereits im Herbst öffentlich über seinen Ausstieg nachgedacht hatte, übertrug 21 Prozent seiner Anteile an Unseld, der nun 51 Prozent besitzt. Reinhart hält noch 29 Prozent, Unseld-Sohn Joachim, einst als Kronprinz gehandelt, bis er aus der verlegerischen Arbeit im Verlag ausschied und nun der Frankfurter Verlags-Anstalt vorsteht, die restlichen 20 Prozent. Siegfried Unseld kann nach dieser internen Frontbegradigung endlich allein über die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Vor dem Abschied kommt die Machtergreifung. Aber was kommt danach?

Zunächst die Konzentration auf den Kern Literatur und Geisteswissenschaften und der Verkauf des juristischen Fachverlages Nomos nebst Druckerei an den Springer Wissenschaftsverlag in Heidelberg. Die Abgabe der lukrativen Druckerei veranlaßte die Berliner Zeitung zur Vermutung, daß der Bargeldbedarf groß gewesen sei. Da Springer Heidelberg zu Bertelsmann gehört, läßt sich aus diesem Geschäft zudem ein Hinweis auf zukünftige Übernahmen herausdestillieren. Aber all das sind Spekulationen, wie alle Verkaufsgerüchte laut Unseld „nie einen wahren Kern“ besaßen.

Ökonomisch betrachtet erscheint die Strategie der Konzentration durchaus sinnvoll. Die Kapitalerhöhung, die damit möglich wurde (eine genaue Summe nannten die Gesellschafter jedoch nicht), ist dringend geboten. Denn je mehr die großen Konzerne den Markt beherrschen und mit wahnwitzigen Millionensummen um die Lizenzen öder Stangenware dealen, desto schwerer haben es die verbleibenden selbständigen Unternehmen. Suhrkamp sollte gar nicht erst versuchen, in diesem literarisch überflüssigen, kapitalintensiven Bereich mithalten zu wollen. Dennoch: Lizenzen werden teurer, der Kapitaleinsatz größer. Langfristig wird man aber nur in der selbstbewußten Beschränkung auf ein profiliertes Programm eine Chance haben. Entgegen anderslautender Gerüchte erscheint bei Suhrkamp immer noch ein guter Teil der interessantesten deutschsprachigen Literatur – von Hans-Ulrich Treichel bis zu den Vertretern der sogenannten Pop-Fraktion (Meinecke, Neumeister, Goetz). Sicher: Ein solches Programm mit Auflagen zwischen 5.000 und 10.000 muß man sich leisten können. Mit einer einträglichen Klassiker-Backlist, die von Brecht über Hesse bis zu Thomas Bernhard reicht, sollte das zu machen sein. Und was nach Unseld kommt, weiß sowieso niemand. Jörg Magenau