Weihnachtsfest mit omnipräsenter Bombe

In der pakistanischen Hafenstadt Karachi feiert die Gemeinde Sankt Patrick unter einem Zeltdach einen demonstrativen Weihnachtsgottesdienst. Die Kirche wurde kurz vor dem Fest von einer Bombe zerstört  ■ Aus Karachi Bernard Imhasly

Karachi (taz) – Es ist eine stille Nacht für die Christen in der pakistanischen Metropole Karachi gewesen, und fröhlich war die Weihnacht auch nicht. Doch, so meinte Pfarrer James de Souza von der Gemeinde Sankt Patrick, die Geburt im Stall, wo ein „Hotelmanager“ aus Bethlehem das Ehepaar untergebracht habe, sei wohl auch nicht ein „Song-and-Dance“ gewesen. Auch Father de Souza war zwei Tage vor dem Fest aus dem Gotteshaus ins freie Feld verbannt worden.

Am 22. Dezember, kurz nach der Abendmesse, war mitten im Kirchenschiff eine Bombe explodiert. Eine Reihe der schweren Teakholzbänke wurde in die Höhe geschleudert, und sie krachten unmittelbar neben der Reihe von Gläubigen nieder, die sich am Längsrand des Schiffes vor den Beichtstühlen eingereiht hatten. „Wie durch ein Wunder gab es keine Toten, und selbst die Glasfenster mit dem Kreuzweg wurden kaum beschädigt“, gab de Souza zu Protokoll.

Das riesige Zelt, das auf dem großen Platz hinter der Kirche für die Mitternachtsmesse aufgebaut wurde, macht jede Rekonstruktion des Elends von Stall und Krippe überflüssig. Nackte Lampen, von einem Drahtgewirr zusammengehalten, hingen von der Decke des billigen Jutedachs, das hie und da notdürftig geflickt war. Die Sitzbänke waren hart, und die krächzenden Lautsprecher stammten ebenfalls aus vorchristlicher Zeit. Dennoch drängten sich um Mitternacht über 2.000 Gläubige um die zurechtgezimmerte Altarbühne. In der großen Mehrheit waren es ärmere Leute, denn die christliche Kirche in Pakistan ist eine Gemeinschaft der Armen. Fabrikarbeiter, Straßenfeger, Hotelangestellte, Dienstboten, Krankenschwestern sind die weitaus häufigsten Berufe.

Sie alle hatten ihre Festgarderobe angezogen, meist europäische Kleider, die den ausländischen Besucher an die 50er Jahre erinnern – Röcke, Kniestrümpfe und breite Krawatten. Im islamischen Pakistan mit seinem Kleiderkodex für Muslime sind es Erkennungszeichen für religiöse Zugehörigkeit und eine Zusammengehörigkeit, die sie gerade an diesem Abend mit ihrer zahlreichen Erscheinen demonstrieren wollten. Die Körbe für das Opfergeld quollen über von kleinen Noten, der Jugendchor sang eine gejazzte Version von „Boy Jesus“, und Pfarrer de Souza gab routinemäßig die Eheankündigungen bekannt – Concepcion Fernandes mit Iqbal Massud, John Henry mit Eunice de Lima, Socrates Massih und Belinda Diaz.

Das „Merry Christmas“, das sie beim Auseinandergehen unter Freunden und Fremden austauschten, spiegelte sich allerdings nicht in ihren Gesichtern. Niemand sprach von der Bombe in der im Dunkel liegenden Kirche. Selbst der Bischof hatte sie in seiner Predigt mit keinem Wort erwähnt. Er hatte nur gesagt, daß die Verletzlichkeit eines Gottes, der sich als Säugling in Lumpen hüllen und auf Stroh betten ließ, seinen Anhängern Kraft gibt. Dennoch war die Bombe omnipräsent, da sie allen die prekäre Lage vor Augen geführt hatte, in der sie sich als winzige Minderheit von zwei Prozent unter den 135 Millionen Pakistanern befinden.

Als Christen genießen sie alle verfassungsmäßigen Rechte, doch der anschwellende Islamismus der letzten Jahre hat sie verletzlich gemacht. „Jeder Streit mit einem muslimischen Nachbarn“, meint B.K. Dass, ein ehemaliger Luftwaffenoffizier, „kann von diesem in eine Beleidigung des Islam umgedreht zu werden.“ Das kann mit einer Blasphemie-Klage und im Gefängnis enden. Es ist ein Mißstand, auf den Bischof John Josef von Faisalabad im Norden des Landes mit einer verzweifelten Geste hinwies, als er sich vor einigen Monaten das Leben nahm. Aus politischem Opportunismus plant Premierminister Nawaz Scharif noch eine Ausweitung der islamischen Gesetze, und er will sie, nach seinen eigenen Worten, „mit der Striktheit der Taliban durchsetzen“.