Offene Hände der öffentlichen Hand

In den Kommunen häufen sich die Prozesse gegen bestechliche Beamte, die die Stadtsäckel um Millionen schädigen. Größte Polizeiaktion gegen Korruption in Köln  ■ Von Werner Rügemer

Quer durch die Republik sind überlastete Staatsanwälte und Richter bei der Bekämpfung der Korruption fleißig wie nie: In München werden Unternehmer und städtische Beamte wegen Korruption wie am Fließband verurteilt: Gegen 20 Beamte wurden insgesamt 70 Jahre Gefängnis verhängt, ermittelt wird gegen 100 weitere Beamte. In Hohenthurm in Sachsen-Anhalt wurde der Bürgermeister zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit Korruption die Kommune hoch verschuldet hatte. In Rodewisch in Sachsen bekam der Bürgermeister wegen Bestechlichkeit zwei Jahre mit Bewährung aufgebrummt und mußte per Abwahl aus dem Amt entfernt wurde. „Jede abgeschlossene Akte fördert drei neue Fälle ans Licht“, so der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Helmut Pathe.

Die bisher größte Polizeiaktion wegen Korruption in einer Kommune fand am 7. Dezember in Köln statt. 25 Mannschaftswagen brachten 200 Polizisten zum Rathaus, zu Unternehmensbüros und Privatwohnungen. 22 Beschäftigte der Stadtverwaltung und zwei Unternehmer wurden festgenommen. Die meisten wurden nach „umfassenden Geständnissen“ freigelassen. Zehn Angestellten wurde bereits gekündigt. Einige Zentner beschlagnahmter Akten sind noch auszuwerten. Weitere Verhaftungen werden erwartet.

Nach den Erkenntnissen der Staatsanwälte wurde im Amt für Brücken- und U-Bahn-Bau, im Liegenschaftsamt und in der Gebäudewirtschaft jahrelang bestochen und bevorteilt. Da stellte eine Firma eine Rechnung über 120 Quadratmeter reparierte Bodenfläche aus – es waren aber nur 100. Der geschmierte Sachbearbeiter zeichnete ab, „sachlich richtig“, der Gewinn wurde dann ehrlich geteilt. Ähnlich ging es zu bei Hunderten von Aufträgen bei der Granitplattenverlegung auf dem Roncalliplatz neben dem Dom, beim Einbau von Türen und Schlössern in städtischen Gebäuden.

Das Schmiergeld betrug zwischen 1.000 und 100.000 Mark pro Person. Akademisch gebildete Abteilungsleiter wie Ingenieure und Architekten bekamen auch schon mal ein komplettes Eigenheim hingestellt oder einen BMW der oberen PS-Klasse. Die offenen Hände der öffentlichen Hand schädigten den Steuerzahler: mindestens zehn Millionen Mark sind weg. Nach Methoden des Organisierten Verbrechens bildeten 14 Baufirmen ein Kartell, acht Metallfirmen ein zweites. Sie schmierten die Beamten, fälschten Urkunden, gaben bei Ausschreibungen überhöhte „Schutzangebote“ ab.

Der frühere Kölner Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier hatte nach dem zeitgeistigen Motto der „schlanken Verwaltung“ möglichst viele Planstellen gestrichen. Die ordentliche Überprüfung von Rechnungen und Reparaturen wurde damit unmöglich gemacht. Gleichzeitig sollte jedes Amt ein eigenes „Profit-Center“ sein – eine Idee, die offensichtlich gut angekommen ist. Schon 1997 war der Anführer des Metallkartells aufgeflogen und zahlte eine halbe Million zurück. Die Stadt aber verzichtete nicht nur auf eine Strafanzeige, sondern vergab weiter Aufträge an ihn.

Nachdem die lokalen Medien täglich Einzelheiten des Skandals ausbreiteten, beantragten Grüne/ Bündnis 90 und dann auch die CDU, der Verwaltung für das Rechnungsjahr 1997 die Entlastung nur mit Einschränkung zu erteilen. In der Ratssitzung vom 17. Dezember stimmte schließlich auch die seit vier Jahrzehnten herrschende SPD diesem Antrag zu. „Das ist eine historische Ratssitzung: Zum ersten Mal wurde die Verwaltung nicht uneingeschränkt entlastet“, stellte die CDU überrascht fest. Grüne und CDU beschlossen gegen den Willen der SPD, die Stelle eines Anti-Korruptions-Beauftragten zu schaffen. Die Frage, wie Vorgesetzte in den Skandal verwickelt sind, wurde nicht gestellt.

Ausgelöst wurden die staatsanwaltlichen Ermittlungen durch einen Sonderbericht des städtischen Rechnungsprüfungsamtes. Beim Nachmessen auf Baustellen und in Gebäuden ergab sich, daß die Angaben auf den Rechnungen nicht stimmten oder daß berechnete Reparaturen gar nicht durchgeführt worden waren. Der Bericht, in nur drei Exemplaren ausgegeben, blieb monatelang liegen, bevor der Oberstadtdirektor ihn der Staatsanwaltschaft weitergab. Die Rechnungsprüfer dürfen bisher nicht selbst eine Strafanzeige stellen. Eine wichtige Frage wird also sein, wie unabhängig das Rechnungsprüfungsamt oder der Anti-Korruptions-Beauftragte sind. Ob solche organisatorischen Maßnahmen angesichts des erfahrenen Kölner Klüngels allerdings ausreichen, steht dahin.