Afrika geht ins Netz

Renaissance durch Fotografie: Die dritte Foto-Biennale von Bamako in Mali hat sich auch international etabliert  ■ Von Werner Hörtner

„Ja taa“, das Bild nehmen, ist in Bambara, der neben Französisch wichtigsten Sprache Malis, ein Ausdruck für fotografieren. Zu lange wurde das Bild Afrikas allerdings von Europäern geprägt: Waren früher die Fotos der Kolonialherren darauf ausgerichtet, ein Abbild des Primitiven, des Wilden wiederzugeben, um die eigene „zivilisatorische Mission“ zu rechtfertigen – oder wollten sie bestenfalls in romantischer Bewunderung den „schönen Wilden“ in seiner natürlichen Unbefangenheit zeigen –, so sind es heute die Katastrophenfotos, für die internationale Fotoagenturen ihre Leute per Helikopter in die Flüchtlingslager oder Hungergebiete fliegen.

Gewalt, Krieg und Katastrophen waren die großen Abwesenden bei den dritten „Rencontres de la Photographie Africaine“, der gesamtafrikanischen Foto-Biennale, die vom 7. bis 13. Dezember in der Hauptstadt des westafrikanischen Sahara-Landes Mali abgehalten wurde – ein Ausdruck dafür, wie sich die afrikanischen Fotografen selbst sehen, so einer der südafrikanischen Künstler. Bei der Ausstellung, die vom Kulturministerium Malis zusammen mit der afrikanisch-französischen Agentur Afrique en Créations – mit finanzieller Unterstützung von der EU und dem Entwicklungsministerium Frankreichs – veranstaltet wird, waren Beispiele fast aller afrikanischen Staaten zu sehen, vom Maghreb bis Südafrika, von Kenia bis Senegal. Damit wird die junge Tradition afrikanischer Kunstbiennalen – und ihre lokale Fixierung – gefestigt: das Filmfestival von Ouagadougou in Burkina Faso, das Musik- und Tanzfestival Kora in Sun City, Südafrika, die Kunstbiennalen von Dakar und Johannesburg. Entsprechend groß war das Medienecho: Newsweek, Financial Times, Le Monde und Geo hatten Korrespondenten geschickt.

„Das Bild einzufangen, ist ein Konzept, das den fotografischen Akt nicht auf eine technisch-künstlerische Geste reduziert, sondern ihn durch eine Idee, einen Traum, ein Ideal verlängert“, so charakterisiert der französische Ausstellungskurator Louis Mesplé ein grundlegendes Merkmal afrikanischer Fotografie, die erst relativ spät als Ausdruck eigener Bewußtseinsfindung entstand. Jahrzehntelang war die Studio- und Porträtfotografie bestimmend. Wichtige Lebensereignisse, Gedenktage und Familienfeste werden mit der Kamera für die Nachwelt festgehalten. Einer der Meister dieser Richtung ist Seidou Keita aus Mali. Der heute 75jährige, der als einer der wenigen afrikanischen Fotokünstler internationale Anerkennung gewonnen hat, begleitete die Ausstellung als aufmerksamer Beobachter. Auf die Frage, was für ihn ein gutes Foto ausmacht, antwortet Keita: „Ein gelungenes Foto muß die dargestellte Person verschönern – das habe ich zumindest immer versucht, und das bedeutet für mich Kunst.“

Die Entkolonialisierungswelle ab Ende der 50er Jahre schlug sich auch in der afrikanischen Fotografie nieder. Die Kamera verläßt nun das Studio, dokumentiert die neuen Freiheiten, sei es der Abzug der Kolonialherren oder das neue Lebensgefühl, das sich in Straßenfesten und Tanzparties äußert. Aus Ghana, das in Bamako mit einer Sonderschau vertreten war, wurde eine Chronik des Unabhängigkeitsprozesses gezeigt, die damals, 1957, in der Tageszeitung Daily Graphic erschienen war.

Für die heutige Situation spiegeln die zahlreich vertretenen Fotografen aus Südafrika die politischen und gesellschaftlichen Veränderungsprozesse ihres Landes wider – doch nicht mehr als Anklage des rassistischen Unrechtssystems wie zu Zeiten des Apartheid-Regimes, sondern als stark persönlich geprägte Dokumentation des Wandels. „Die physischen, politischen, psychologischen Veränderungen haben die engagierten Fotografen zu einem mehr persönlichen, verinnerlichten Zugang zur Fotografie geführt“, meint Peter McKenzie, Lehrer an einer Journalistenschule in Johannesburg, „eine Innensicht, die eine neue nationale Identität sucht und dem Traum von einer afrikanischen Renaissance folgt.“

Ein interessantes Experiment verfolgt Santu Mofokeng, ebenfalls aus Johannesburg. Er baut ein Archiv mit Fotos von schwarzen Mittelklassefamilien aus der Zeit der Jahrhundertwende auf. Der Rückblick auf jenen Sektor der schwarzen Bevölkerung, der in Kleidung und Habitus die weißen Kolonialherrn imitieren wollte, soll „das Ausmaß der Zerstörung des Apartheid-Systems zeigen und zu einem nuancierteren Verständnis der Vergangenheit führen“.

Eher eine Ausnahmeerscheinung ist dagegen der Marokkaner Nabil Mahdaoui, der nicht die direkte Darstellung des fotografischen Objekts sucht – „das können andere Medien wie das Fernsehen besser“. Für den Autodidakten, der im Hauptberuf als Mittelschullehrer arbeitet, ist das Foto gewissermaßen „der Vorwand, um das auszudrücken, was im eigenen Kopf ist“. Entsprechend fragmentarisch, flüchtig, „aus dem Rahmen fallend“ bleibt sein Werk, das im Ausstellungskatalog sinngemäß mit „Décadrage“, etwa „Ent-Rahmung“, überschrieben wurde.

In einer der Diskussionsrunden, die die Biennale begleiteten, kam ein allgemeines Problem der afrikanischen Berufsfotografen zum Ausdruck: die Schwierigkeit der Kommunikation mit anderen Ländern, mit den internationalen Medien und Agenturen. Was den Einsatz moderner Technologie im Dienste dieser Kommunikation betrifft, so ist zweifellos Südafrika am weitesten fortgeschritten. Cedric Nunn etwa, Leiter eines kürzlich in Johannesburg eröffneten „Market Photography Workshop“, hat die meisten seiner Fotos auf Databasis gespeichert und kann sie problemlos in alle Welt verschicken. Doch die meisten afrikanischen Fotografen können vom Einsatz moderner Kommunikationstechnologie nur träumen.

Immerhin wird an Verbesserungen gearbeitet: So bietet das Nationalmuseum in Bamako einen Ausbildungskurs in digitaler Fotografie an, und die französische Agentur Témoins versucht, in Afrika ein Netz schneller Fotoübermittlung aufzubauen, sowohl innerhalb des Kontinents als auch nach Europa. Gegenwärtig ist immer noch die Regel, daß z.B. Pressefotos aus Afrika über einen Vermittler, etwa die Agence France Press, nach Europa verkauft werden. Témoins will diese Zwischenstufe ausschalten, was den Gewinn für afrikanische Agenturen und Fotografen stark erhöhen würde. Bislang ist es zumindest der Foto-Biennale von Bamako gelungen, sich auf globaler Ebene als ständige Kunsteinrichtung zu etablieren.

Informationen unter www.media port.net/AeC/Bamako