Landespolitik ist sexy

■ Weiterer CSU-Politiker gesteht Anrufe bei 0190-Hotlines. Fraktionschef bewundert seinen Mut. Auch SPDler wird verdächtigt

München (dpa/AP) – Die Telefonsex-Affäre im bayerischen Landtag weitet sich aus. Nach dem früheren CSU-Abgeordneten Hans Wallner sollen mindestens zwei weitere Parlamentarier von Dienstapparaten aus die kostspieligen 0190-Nummern gewählt haben. Bei den Überprüfungen der Telefonlisten sei man auf die beiden Fälle gestoßen, bestätigte ein Sprecher des Landtags am Donnerstag in München.

Auf der Telefonrechnung für den Apparat des SPD-Abgeordneten Heinz Köhler seien Sexgespräche für 169,09 Mark verzeichnet. Er kann nach eigenen Angaben jedoch lückenlos nachweisen, zur fraglichen Zeit nicht in seinem Büro gewesen zu sein. Zugleich gab der CSU-Parlamentarier Markus Sackmann in mehreren Zeitungsinterviews zu, 0190er-Nummern für mehrere hundert Mark angewählt zu haben.

Der CSU-Abgeordnete Hans Wallner steht seit Monaten vor dem Münchner Landgericht. Er macht für Sexgespräche von seinem Telefon im Umfang von 27.000 Mark vor Gericht Manipulationen verantwortlich.

Der SPD-Parlamentarier Köhler sagte der Passauer Neuen Presse, er sei in der fraglichen Zeit im Februar 1997 im 250 Kilometer entfernten Landkreis Kronach gewesen. Protokolle belegten, daß er dort an einer Gemeinderatssitzung teilgenommen habe, die bis in den späten Abend dauerte. Wegen einer Hüftoperation habe er zudem sechs Wochen lang nicht in München übernachtet.

Der Abgeordnete Sackmann sagte der Mittelbayerischen Zeitung: „Ich habe eine Riesendummheit gemacht, und damit muß ich jetzt fertig werden.“ Für rund 300 bis 400 Mark habe er auch Wetterberichte und Börseninformationen abgerufen. „Schade um Zeit und Geld, ich war einfach neugierig.“

CSU-Fraktionschef Alois Glück betonte am Donnerstag, die „Offenheit und der Mut“ Sackmanns, mit der Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen, sei für ihn höher einzuschätzen als das Fehlverhalten. „Ich möchte ganz biblisch sagen: Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein.“

In der Verhandlung gegen den CSU-Abgeordneten vor dem Münchner Landgericht hatten Experten der Telekom und von Siemens Manipulationen ausgeschlossen. Die Verteidigung mutmaßte, die Experten hätten keine Manipulationen feststellen wollen, um dem Ruf ihrer Unternehmen nicht zu schaden. Wallner hatte in der Verhandlung zugegeben, privat die Sex-Hotlines angerufen zu haben. Der Anklage zufolge soll Wallner bis zu elf Stunden hintereinander Sexgespräche geführt haben. Als die Vorwürfe bekannt wurden, hörten die Anrufe schlagartig auf.