taz-Service: Ein Führer durch den Dschungel des rot-grünen Streits um das Atomgesetz. Alle Knackpunkte incl.

Berlin (taz) – Bei all dem Hin und Her um den Ausstieg geht schnell der Überblick über Details verloren. Eigentlich ist es jedoch einfach: Bei der Renovierung des Atomgesetzes geht es um viel Geld. Außerdem noch darum, daß die Regierung klarstellt, daß sie im Gegensatz zu allen Regierungen vor ihr die Atomkraft als ein Auslaufmodell betrachtet.

Wie immer, wenn es um Milliarden geht, ist jedoch jedes Detail im Gesetzestext wichtig. Schließlich wird nach gutem deutschen Brauch jeder Paragraph vom Verfassungsgericht geprüft werden, wenn es nicht zu einer gütlichen Einigung zwischen Betreibern sowie Kanzleramt und Umweltministerium kommt. Die drohenden Prozeßkosten für den Verlierer sind angesichts der Milliardenwerte enorm. Und eine Einigung zumindest auf der Linie von Bundesumweltminister Jürgen Trittin scheint schwierig.

Derzeit ganz vorne in den Schlagzeilen ist das Ende der Wiederaufarbeitung. Hier sieht der rot-grüne Koalitionsvertrag ein Ende mit einer bestimmten Frist vor. Die Frist ist noch nicht festgelegt. Das Verbot, hochstrahlende Brennelemente ins Ausland zu schicken, steht aber in der von Trittins Ministerium ausgearbeiteten Novelle drin.

Hier würde die Atomlobby zuerst sogar Geld sparen. Schließlich ist die Alternative zur Wiederaufarbeitung, die direkte Zwischen- und Endlagerung des Atommülls in Castoren direkt neben den AKW oder in Gorleben und Ahaus, billiger als die teure Prozedur in den WAA La Hague oder Sellafield. Doch müßten die AKW-Betreiber dann ihre steuerlichen Rückstellungen für eben diese teurere Aufarbeitung im Ausland überprüfen. Dabei könnte der Fiskus eventuell hohe Steuerforderungen stellen, weil plötzlich Milliardensummen als Plus in den Bilanzen von RWE, PreussenElektra und Co auftauchen würden.

Ganz schlimm finden die Betreiber von AKW auch die Umkehr der Beweislast bei einem Gefahrenverdacht: Bisher mußte eine Genehmigungsbehörde in einem Bundesland mit Schadensersatzforderungen rechnen, wenn sie nach einer Panne den Reaktor nicht wieder schnell ans Netz ließ. Mit dem neuen Atomgesetz müßte hingegen der Betreiber nachweisen, daß sein AKW nun richtig funktioniert.

Ins Geld geht auch die sogenannte Deckungsvorsorge für laufende AKW. Dabei handelt es sich grob gesagt um deren Haftpflichtversicherung. Weil keine Versicherung der Welt eine unbegrenzte Haftung für einen Atomreaktor übernimmt, gibt es einen festgelegten Betrag, damit die AKW auf dem Papier nicht ganz ohne dastehen. Er liegt derzeit bei 500 Millionen Mark. Trittin will ihn auf fünf Milliarden erhöhen, was natürlich die Versicherungsbeiträge in die Höhe schnellen läßt.

Die Atombranche findet auch einen anderen Passus unerträglich: daß neue Betriebsgenehmigungen für AKW mit einer Leistung über einem Megawatt nicht mehr erteilt werden. Damit könnte nicht nur Siemens seine kommenden Reaktor-Prototypen mit einer Größe von 600 oder 1.000 Megawatt nicht in Deutschland bauen. Außerdem wäre das AKW Mülheim-Kärlich endgültig perdu: Die erste Betriebsgenehmigung kassierten die Gerichte. Eine zweite würde es nicht mehr geben. Grund genug für die Atomindustrie also, sich mit allen Mitteln zu wehren. R. Metzger/J. Voges