Naive Nächstenliebe-Promo

■ „Streetwork Orange“, ein Film über einen Straßenkehrer (19.30 Uhr, BR)

Irgendwas stimmt nicht. Und vielleicht ist es nur der mißglückte Titel „Streetwork Orange“.

Vielleicht ist es auch bloß der wohlmeinend-naive Pressetext, der den kleinen Film von Uli Kick und Ehefrau Petra Heilingbrunner nicht nur für Münchner und Münchenkenner verdächtig macht. Ein Auszug: „Franky ist der Straßenkehrer im Münchner Glockenbachviertel. Es ist das Viertel der sozial Deklassierten, der Drogenabhängigen und Homosexuellen, der Künstler und Intellektuellen. In seiner orangefarbenen Kluft kehrt und verkehrt Franky zwischen den Welten. (...) Franky ist nicht nur Straßenkehrer und Streetworker aus eigenem Antrieb, er ist auch Künstler. ,Ich spreche die Sprache von Keith Haring weiter‘, sagt Franky“, schreibt Heilingbrunner. Was klingt wie das Treatment zu einer müden Fernsehfiktion, ist in Wirklichkeit Wirklichkeit. Denn Franky fegt tatsächlich Tag für Tag durchs Glockenbachviertel (Glockenbacher und Süddeutsche-Leser wissen das), und „Streetwork Orange“ ist ein 45minütiger Dokumentarfilm über Franky. Der ist 30 Jahre alt, seit 12 Jahren Straßenkehrer aus Berufung – und ein merkwürdiger Mensch. Eine Dreiviertelstunde lang begleiten ihn die Filmemacher durchs Tagwerk und zeigen ihn als couragiert-kreativen Eigenbrödler mit Mission. Und, mag sein, dieser Franky ist tatsächlich unter anderem auch ein guter Mensch. Der Film aber ist so bemüht, Frankys Gutmenschentum zu vermitteln, daß manche Szene den Eindruck der gefällig arrangierten Illustration einfach nicht loszuwerden weiß: etwa wenn die „Glockenbach-Kids“ zum Schuljahresende an der Straßenecke ihre Zeugnisse aus dem Ranzen kramen, um sie Franky zu zeigen; oder Franky im Gespräch mit einem jugendlichen Tunichtgut den Selfmade-Sozialarbeiter mit Streetcredebility raushängen läßt.

Wie gesagt: Mag sein, es ist alles so, wie es die Filmemacher zeigen. Aber ihre unleugbar begeisterte Distanzlosigkeit nimmt der ohnehin zu lang geratenen Doku die Überzeugungskraft. Und wenn der buddhismusbegeisterte Kauz einfach so dahersagen darf, daß Aids „im Grunde genommen auch nix anderes als ein sehr tragisches Ungleichgewicht aus dem Yin und Yang“ sei, sollten auch wohlwollendste Nächstenliebe-Promoter wenigstens kurz die objektive Stirn runzeln. Oder irgendwas stimmt nicht. Christoph Schultheis