Ein Mann mit Möglichkeitssinn

Ulrich Beck ist ein intellektueller Weltbürger, der sich gerne in politische Belange einmischt. Er leitet das Münchner Institut für Soziologie und hat zugleich einen Lehrstuhl an der Londoner School of Economics. Politisch sorgte Beck zuletzt als Mitglied der Zukunftskommission der bayerischen und sächsischen Landesregierung für Furore. Dort formulierte er sein Modell der belohnten, aber nicht entlohnten Bürgerarbeit.

Es war seine Antwort auf eine Massenarbeitslosigkeit, die durch wirtschaftliches Wachstum nicht mehr beseitigt werden kann. Mancher vermutete hinter dem bieder daherkommenden Wort allerdings eine Politik der Zwangsarbeit für Arbeitslose.

Mit solchen Linken lag Beck schon in den achtziger Jahren über Kreuz, als er mit seinen Analysen der zweiten Moderne den gängigen Vorstellungen einer von Schichten und Klassen geprägten Gesellschaft eine Absage erteilte. Individualisierung und Reflexivität kennzeichnen für ihn statt dessen die Situation des einzelnen in der von unkontrollierbaren Großtechnologien geprägten Risikogesellschaft – wie auch der Titel seines bekanntesten Buches lautet, das er nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verfaßte.

In den letzten Jahren wandte sich Beck, ein Sozialwissenschaftler mit Möglichkeitssinn, den Auswirkungen der Globalisierung zu, in der er, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, nicht nur ein ökonomisches Phänomen sieht. Er erkennt vielmehr eine Entwicklung hin zu einer Weltgesellschaft, die den Nationalstaat unterläuft und relativiert, neue Netzwerke und soziale Kreise ausbildet.

Aufgrund des Bedeutungsverlustes des Nationalen läßt sich seiner Ansicht nach der klassische Sozialstaat nicht mehr aufrechterhalten. Während Becks französischer Kollege Pierre Bourdieu sich angesichts dieser Entwicklung für die Anliegen der dadurch Deklassierten einsetzt, propagiert der Berater des britischen Premierministers Tony Blair, Anthony Giddens, einen dritten Weg „jenseits von Links und Rechts“.

Auch Giddens' intellektueller Weggefährte Beck will in diese Richtung gehen. Eine nächste Etappe ist für ihn die Bildung einer Partei der Weltbürger, zu der er jüngst aufgerufen hat. In ihr sollen sich diejenigen sammeln, die die globalen Belange zu ihren eigenen machen wollen.

Dieter Rulff ist 45 Jahre alt und lebt in Berlin. Seit 1991 arbeitet er als politischer Redakteur bei der taz

Literatur: „Was ist Globalisierung?“ (26 Mark), „Die Politik der Globalisierung“ (34 Mark), „Perspektiven der Weltgesellschaft“ (34 Mark) sind bei Suhrkamp erschienen.