Arbeitsforscher hoffen auf Resonanz bei Rot-Grün

■ Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung weiß, was die Arbeitslosigkeit sinken ließe

Nürnberg (taz) – „Hoher Beschäftigungsstand ist keine Utopie, sondern ein realistisches, mittelfristig erfüllbares Ziel.“ Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fordert seit langem einen „Pakt für mehr Beschäftigung“ und schlägt ein ganzes Maßnahmenbündel vor, mit dem das „gesamtwirtschaftliche Defizit von sechs bis sieben Millionen Arbeitsplätzen“ in vier bis fünf Jahren entscheidend verringert werden könnte.

Schon 1996 hatte das zur Bundesanstalt für Arbeit gehörende IAB eine Strategie zur „Halbierung der Arbeitslosigkeit“ vorgelegt – die damalige Bundesregierung ignorierte sie jedoch. Insbesondere die Forderung nach einer verzögerten Konsolidierung des Staatshaushalts stieß beim Kabinett Helmut Kohls auf taube Ohren, wollte man doch unter allen Umständen die Kriterien zur Verwirklichung der Europäischen Währungsunion „punktgenau“ erfüllen.

Öffentliche und private Nachfrage ankurbeln

Unmittelbar vor den Bundestagswahlen ging dann das IAB mit einem etwas modifizierten Strategiepapier unter dem Titel „Agenda für mehr Beschäftigung in Deutschland“ an die Öffentlichkeit und hofft nun bei der derzeitigen Bundesregierung auf größere Resonanz. Vorraussetzung für einen hohen Beschäftigungsgrad ist demnach Geldwertstabilität, Wachstum und eine hohe Auslastung des Produktionspotentials. Da aber in den letzten Jahren das Wachstum nicht die Größenordnung erreichte, um positive Auswirkungen auf die Beschäftigung zu haben, plädiert das Nürnberger Institut nicht nur dafür, die Arbeit zu teilen – etwa durch vermehrte Teilzeitbeschäftigung sowie Überstundenabbau. Zusätzlich müßte die Nachfrage, insbesondere die privaten und öffentlichen Investitionen, angekurbelt werden.

Da hierfür weitere „zusätzliche kurzfristige Sparmaßnahmen“ pures Gift wären, sollte statt dessen der Bundeshaushalt hin zu öffentlichen Investitionen umgeschichtet werden. „In vielen Bereichen ist dies zur Deckung eines Nachholbedarfs oder zur Sicherung des Anschlusses an wissenschaftlich- technologische und internationale Entwicklungen auch dringend geboten“, schreiben die Forscher.

Um Lohnnebenkosten durch Umfinanzierungen im Bereich der sozialen Sicherungen senken zu können, spricht sich das IAB für eine Anhebung der Mehrwertsteuer und die Einführung einer „intelligenten Energiesteuer“ aus. Eine weitere Fortsetzung der zurückhaltenden Lohnpolitik der Gewerkschaften sollte zudem mit Formen der Vermögensbeteiligung verbunden werden, um auch „langfristig annehmbar“ zu sein. Bernd Siegler