Bahnchef Ludewig bleibt am Zug

Bei der DB-Aufsichtsratssitzung war die Absetzung des CDU-Mannes kein Thema. Statt dessen ging es um die Umwandlung des Unternehmens in eine Holding  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Der Sturz von Bahnchef Johannes Ludewig stand gestern nicht mehr auf der Tagesordnung des DB-Aufsichtsrats. SPD-Verkehrsminister Franz Müntefering hatte die drei neuen SPD-Staatssekretäre in dieser Weise instruiert. Auch die Arbeitnehmervertreter beschränkten sich weitgehend aufs Grummeln. Noch vergangene Woche hatte die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) zum Halali gegen den ungeliebten Chef geblasen, der für bürokratische Betriebsabläufe und Demotivation der Belegschaft verantwortlich gemacht wird. Auch die magere Bilanz – der Umsatz stagnierte bei gut 22 Milliarden Mark in den ersten drei Quartalen – wird Ludewig angelastet. Immerhin habe die DB AG einen Gewinn erzielt, hieß es gestern. Wie groß oder eher klein der ist, wurde nicht bekannt.

Statt mit Personalien beschäftigten sich die 20 Aufsichtsräte mit einer von Ludewig vorgestellten zweiten Pünktlichkeitsoffensive (siehe unten) und der weiteren Entwicklung des Konzerns. In der Silvesternacht wird die Deutsche Bahn AG in eine Holding umgewandelt: Unter ihrem Dach sollen fünf Unternehmensteile weitgehend selbständig agieren. Die neuen Aktiengesellschaften kümmern sich ums Netz, die Bahnhöfe sowie den Güter-, Nah- und Fernverkehr, wozu auch der Bereich Tourismus zählen wird.

Kritiker hatten der neuen Regierung dringend geraten, die Umstrukturierung aufzuschieben. „Die Gründung eigener Aktiengesellschaften läßt eine Verschärfung der Planungsfehler erwarten, da jede AG noch eigenständiger agieren wird“, prognostiziert Werner Schmidt, Mitarbeiter in der Abteilung Angebotsplanung. Er hatte – vergeblich – einen Verbesserungsvorschlag an mehrere Vorstände verschickt. Schon heute planen die für Fern- und Nahverkehr zuständigen Mitarbeiter häufig aneinander vorbei. Daß die KollegInnen beim Fernverkehr zahlreiche Interregio-Verbindungen streichen wollten, erfuhren die Nahverkehrsleute erst aus der Zeitung – und waren verärgert. Schließlich hatten sie ebenfalls viel Zeit darauf verwandt, herauszufinden, wo es parallele Regionalzüge gibt. Eine weitere Trennung der Unternehmensteile wird diese Entwicklung noch verstärken, fürchtet das DB- Verwaltungspersonal, das schon heute auf verschiedene Standorte verteilt ist und für Absprachen ständig auf Dienstreise gehen muß.

Daß unternehmensinterne Konkurrenz nicht unbedingt das Geschäft belebt, belegt auch Ludewigs erste Pünktlichkeitsinitiative mit Namen „Aktion Zeigersprung“, die der Bahnchef vor über einem Jahr ausgerufen hatte. 12,5 Prozent der Manager-Tantiemen sind seither daran gekoppelt, daß die Züge fahrplanmäßig in den Bahnhöfen eintreffen. Die verschiedenen Regionalbereiche stehen seither ebenfalls in Konkurrenz. Erfolgreich war diese Strategie jedoch nicht, wie tagtäglich an den Pünktlichkeitstafeln in den Bahnhöfen abzulesen ist: Um möglichst gut abzuschneiden, werden zum Beispiel Ersatzloks im eigenen Bereich zurückgehalten. Anderswo fehlen sie dann.

Die neue Struktur der DB als Holding ist mit einer immensen Ausweitung des Führungspersonals verbunden: Schließlich bekommt jede neue Aktiengesellschaft einen fünf- bis sechsköpfigen Vorstand sowie einen eigenen Aufsichtsrat. Die meisten Manager haben allerdings schon seit einigen Monaten einen entsprechenden Vertrag: Johannes Ludewig hatte die Strukturreform intern schon vor der Bundestagswahl umgesetzt. Auf diese Weise versorgte er zahlreiche CDU-Parteifreunde mit lukrativen Posten. Im Gegensatz dazu wird an der Basis weiter Personal eingespart, kritisierte die GdED gestern: Etwa 18.000 bis 20.000 der noch vorhandenen 255.000 Stellen sollen im kommenden Jahr wegfallen.