Privat ins nächste Jahrtausend

■ In Berlin soll die Feier zur Jahrtausendwende von einem privaten Betreiber organisiert werden. Mit der Privatisierung der Stadtmitte soll eine kleine Feier des Senats finanziert werden

Zur Jahrtausendfeier rüstet sich der Berliner Senat derzeit mit einem Sylvesterkracher der ganz besonderen Art. Weil im chronisch finanzschwachen Berlin das Geld für eine eigene Feierlichkeit vor geraumer Zeit gestrichen wurde, soll nun die gesamte historische Mitte kurzzeitig in private Hände gelegt werden. Damit will die ohnehin privatisierungsfreudige Große Koalition zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zwischen Alexanderplatz und Friedrichstraße, Reichstag und Oranienburger Straße darf ein privater Veranstalter auf Kosten des Bezirks ein privates Fest fürs Volk organisieren. Dieser Veranstalter wiederum verpflichtet sich, dem Senat bei der Finanzierung einer eigenen Feier auf dem Kulturforum finanziell unter die Arme zu greifen.

Zur Zeit verhandelt die Senatskanzlei mit den betroffenen Berliner Bezirken Mitte und Tiergarten über einen Vertrag, der der privaten Betreibergesellschaft „sib – Silvester in Berlin Veranstaltungen GmbH“ die exklusiven Nutzungsrechte für den gesamten öffentliche Raum im Zentrum von Berlin garantieren soll. Mit diesem Vertrag, der der taz vorliegt, wäre für einen bestimmten Zeitraum nicht nur der öffentliche Raum im Berliner Zentrum in den Händen der sib, sondern auch die Gebührenordnung der Bezirke. Auf die sonst üblichen Gebühren für die „Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes“ sollen die Bezirke laut Vertrag verzichten. Darüber hinaus soll dem Privatveranstalter sogar noch die Möglichkeit eingeräumt werden, für besondere Orte wie etwa den Pariser Platz Eintrittsgeld zu verlangen. Dies soll dann möglich sein, wenn „die Veranstalterin begründen kann, daß dies die allgemeine Teilnahme der Bevölkerung an den Feierlichkeiten nur unwesentlich einschränkt und für die Finanzierung der Veranstaltung unabdingbar“ ist.

Die sib ist in Berlin keine Unbekannte. Bereits im vergangenen Jahr organisierte die Gesellschaft die Sylvesterfeierlichkeiten am Brandenburger Tor. Insbesondere auf dem vollkommen überfüllten Pariser Platz war es dabei immer wieder zu bedrohlichen Situationen gekommen, als Alkoholisierte in der Menschenmenge Feuerwerkskörper abbrannten. Den Senat hinderte das freilich nicht daran, auch die diesjährige Feier wieder in die Hände der sib zu geben. Mit einem ausgefeilten Sicherheitskonzept heißt es auch dieses Jahr wieder: Sylvesterknallen auf der gleichen Stelle.

Auf der gleichen Welle wird allerdings nicht mehr gefeiert. Hauptsponsor der diesjährigen Veranstaltung ist nämlich der Privatsender Sat.1, der zwischen 22:30 und 0.15 Uhr live vom Brandenburger Tor übertragen wird. Die Exklusivübertragungsrechte für den Hörfunk hat sich der private Berliner Sender 94.3r.s.2 gesichert. Silvester 98/99 gilt deshalb nicht nur sicherheitstechnisch als „Generalprobe“ für die Jahrtausendfeier im kommenden Jahr, sondern bietet bereits einen Vorgeschmack auf die Privatisierung der Feier. Im kommenden Jahr nämlich sollen die Bezirke Mitte und Tiergarten der Firma mediapool, einer Partnerfirma der sib, die Exklusivrechte und Standorte für die Übertragung der Megafeier garantieren.

Privat finanziert soll damit auch die kleine, aber feine Feier des Senats am Kulturforum werden. Nachdem der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses im November vergangenen Jahres einen Zuschuß von 20,3 Millionen für die Milleniumsfeier abgelehnt hatte, soll die sib laut Senatskanzlei dem Senatsbeauftragten für Ausstellungen und Veranstaltungen um das Jahr 2000, Prof. Dr. Ulrich Eckhardt, einen „sehr hohen Geldbetrag“ zur Verfügung stellen. Einmal mehr werden damit indirekt die Bezirke zur Finanzierung einer Senatsveranstaltung zur Kasse gebeten.

Zumindest der Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl (PDS), will sich das nicht länger gefallen lassen. Nachdem die Senatskanzlei ein Schreiben Flierls ohne Kommentar an die sib weiterleitete, machte der Baustadtrat nun den geplanten Deal zwischen Senat und Privatveranstalter öffentlich. Flierl bemängelt nicht nur die vorgeschlagene Befreiung der Privaten von den Sondernutzungsgebühren. In einem Schreiben an die Fraktionen des Abgeordnetenhauses kritisiert er auch die fehlende Ausschreibung der Veranstaltung. Die private Jahrtausendfeier, so Flierl, sei eine „gigantische, privat getragene Stadtinszenierung“, die im Zeitalter der Mediendemokratie zurück zu vordemokratischen Formen der Stadtöffentlichkeit, zur Privatisierung des öffentlichen Raums und zur Ständegesellschaft führe. Christof Schaffelder