Poptöne aus der Minenstadt

■ Die australische Band Yothu Yindi sucht die Balance zwischen Tradition und Moderne / Dienstag Bremen-Auftritt mit Maffay

Wenn der australische Musiker Mandawuy Yunupingu morgens auf die Veranda seines auf der Drimmie Head Insel in der Melville Bay gelegenen Bungalows tritt, dann scheint die Welt noch in Ordnung. Kokospalmen, Tamarindbäume, weißer Sandstrand und türkisblaues Wasser. Doch es reichen einige Schritte in Richtung Ufer, und hinter den zur rechten Seite gelegenen Felsen wird etwas sichtbar, das nicht ins idyllische Bild paßt.

Ein Frachtschiff, beladen mit einem Vorprodukt zur Aluminiumherstellung, ankert in dieser ansonsten traumhaften Bucht, die an der nordwestlichen Spitze des Nor-thern Territory liegt. Auf der Fahrt ins nahegelegen Yirrkala wird dann der dazugehörige Komplex in seinen gigantischen Ausmaßen sichtbar. Der wiederum gehört zu einer Bauxitmine, die jährlich 135 Hektar Land verschlingt. 1.600 Tonnen Erz werden pro Stunde im Tagebau abgebaut und über das mit einer Länge von 18,7 Kilometern längste Fließband der südlichen Hemisphäre dorthin befördert. Die Entwicklung der Minenstadt Nhulunbuy hat jedoch nicht nur die Umweltbedingungen, sondern auch das Leben der dort ansässigen Aborigines drastisch verändert. Alkohol, Drogen und dort bisher unbekannte Krankheiten bedrohen sie .

„Obwohl wir natürlich das Beste beider Welten wollen, versuchen wir, unsere traditionelle Lebensweise so weit wie möglich zu erhalten und den ewigen Gesetzen unseres Landes zu folgen. Wichtig ist, daß es uns gelingt, unser Wissen an die jüngere Generation weiterzugeben“, erklärt der 42jährige Mandawuy Yunupingu, „und ein Teil dieser Arbeit ist auch unsere Band Yothu Yindi geworden. Es geht darum, allen, die in der Zukunft etwas über unsere traditionelle Lebensweise erfahren wollen, diese Möglichkeit zu geben. Zu unseren Wurzeln zurückkehren, um dort Dinge zu finden, die es wert sind, in das heutige Leben integriert zu werden, das Gleichgewicht wiederfinden.“

Dieses Gleichgewicht zwischen der mehrere zehntausend Jahre alten Kultur der Aborigines und dem zeitgenössischen Way of Life zu finden, versuchen auch die bisher fünf Alben der 1988 gegründeten und auch von so prominenten Künstlern wie Neil Young und Tracy Chapman als Vorgruppe geschätzten Band. So hört man zu den traditionellen Klängen von Yidaki (Didgeridoo) und Bilma (Schlaghölzern) die übliche, auch schon wieder traditionelle E-Gitarre und die bekannten Rockrhythmen – wenn nicht gerade, wie auf dem aktuellen Album „One Blood“, sogar Kollege Computer ein paar lockere Beats beisteuert. Und obwohl die Texte sich teilweise auf die jahrtausendealten Lieder des Gumtaj-Clans beziehen, ist die Produktion auf den Geschmack des mit dem Rock- und Popsound der Achtziger vertrauten Radiohörers ausgerichtet, dem bekannte Stimmen wie die von Jim Kerr (Simple Minds) oder Liam O'Maonlai (Hothouse Flowers) begegnen.

Letzterer verleiht dem Song „Mainstream“ noch ein wenig mehr Mainstream-Aroma. Doch anders als in der amerikanischen oder der europäischen Musikszene, wo sich auch Peter Maffay durch seine Zusammenarbeit mit Yothu Yindi und anderen Vertretern der Weltmusik vom Mainstream absetzt, hat der Begriff Mainstream für Mandawuy Yunupingu und seine Band einen durchaus positiven Klang: Ihre erste Hitsingle „Treaty“ beispielsweise hielt sich 22 Wochen in den offiziellen australischen Verkaufscharts, wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet und machte so ein weltweites Publikum auf die Tatsache aufmerksam, daß James Cook 1770 kein unbewohntes Land betrat.

Mandawuy Yunupingus Rolle als Bandleader von Yothu Yindi ist allerdings nur ein Teil seines bewegenden und bewegten Lebens. Er erhält 1987 als erster Aborigine des Arnhem Land einen Universitätsabschluß, wird 1989 stellvertretender Direktor und 1990 Direktor der Yirrkala Community School, wo er ein zweigleisiges Unterrichtssystem einführt. Sein durch eine Auszeichnung als „Australier des Jahres 1992“ gewürdigtes Engagement für die Rechte der Aborigines wurde durch familiäre Vorbilder begründet. So gehörte sein Vater 1963 zu den ersten Unterzeichnern der „Bark Petition“, die die Landrechtsbewegung der Aborigines auslöste.

Pläne für die Zukunft zeichnen sich bereits deutlich ab. Gemeinsam mit Bands wie Midnight Oil engagieren sich Yothu Yindi gegen die in Jabiluka geplante zweite Uranmine im Kakadu-Nationalpark. Mandawuy Yunupingus Haltung zu diesem Thema ist eindeutig: „Man sollte das Uran im Boden lassen. Kernenergie ist einfach sehr zerstörerisch. Darüber hinaus ist es für uns praktisch dasselbe, ob man unser Land oder unseren Körper aufreißt und plündert.“ Auch hört man in Yirrkala durchaus Stimmen, die sich aufgrund der sich verschlechternden politischen und juristischen Situation von Yothu Yindi wieder mehr Präsenz in Australien wünschen. Vorerst sind Yothu Yindi allerdings auf Peter Maffays „Begegnungen“-Tour zu erleben.

Gunnar Lützow

Konzert am Dienstag, 1. Dezember, um 20 Uhr in der Stadthalle