Siegreiches Konzept

■ Mit der "ProSpektive" stellt die Philip Morris Kunstförderung eine äußerst geglückte Kooperation zwischen Sponsoring und Museum her

Der „Arbeitskreis Kultursponsoring“ vom Bund der Industrie (BDI) legte vor wenigen Wochen die „Spielregeln einer Zweckgemeinschaft“ zwischen Kunst und Wirtschaft vor. Im Rückblick auf das „Zwielicht der Frühgeschichte“ in den 80ern mahnen sie, „die Freiheit der Kunst und die Autonomie von Kulturschaffenden und Kulturinstitutionen“ zu respektieren. Die Spielregeln sind nötig geworden, weil sich immer mehr Unternehmen imagebewußt in der Kulturförderung engagieren. Ein Profilierungskampf ist entbrannt. Nicht nur die Künstler, auch die Sponsoren müssen sich etwas einfallen lassen.

So ein Coup gelang der Philip Morris Kunstförderung mit der „ProSpektive“. Das Projekt stellt die übliche Freßordnung des Kulturbetriebs auf den Kopf: Namhafte Kuratoren und Museumsleiter wurden eingeladen, um ihre Traumausstellung zu konkurrieren. Eine Jury von Künstlern durfte über die eingereichten Konzepte entscheiden. Der Sponsor versprach, das gewählte Projekt blind zu finanzieren. Das genaue Prozedere sowie die Kandidaten für die Jury erarbeiteten die Kuratoren in einem Workshop. Das Gremium um Lawrence Weiner, Jenny Holzer und Rosemarie Trockel wählte aus elf anonymen Projekten schließlich das von Jochen Poetter, Leiter des Kölner Museum Ludwig, mit seinem Crossover der New Yorker Kunstszene.

Mit dieser Genese ist „ProSpektive“ trotz aller inhaltlichen Kritik (taz vom 9. 11.) ein Imageerfolg für den Sponsor. Die Autonomie der Kunst wird im Sinne des BDI geradezu programmatisch gewahrt. Für Klaus Staeck bleibt die Befürchtung einer verdeckten Einflußnahme aber weiter bestehen. Der Heidelberger Künstler und Galerist warnt davor, daß sich Kulturschaffende von ganz allein nach der Imagepolitik des Sponsors richten und „stille Selbstzensur“ ausüben. In diesem Licht ist Poetters siegreiches Konzept, das sich prima mit Etiketten wie jung, innovativ und kosmopolitisch belegen läßt, ein Glücksfall. Die Marketingabteilung des Zigarettenkonzerns hätte sich das nicht besser ausdenken können.

Hunderte von Künstlern und Kuratoren unterschrieben 1996 Staecks „Düsseldorfer Erklärung“ gegen Kultursponsoring, darunter auch Trockel und Poetter. Der Kurator kann sich kaum daran erinnern. „Ich würde sie heute kritischer lesen“, sagt er, obwohl er noch in diesem Frühjahr höchst unliebsame Erfahrungen mit einem Sponsor machte – nachdem Heidi Eckes-Chantre kein Vetorecht beim neueingerichteten „Internationalen Köln-Preises für Bildende Kunst“ erhielt, strich sie kurzerhand das Preisgeld. Für die „ProSpektive“ findet Poetter nur Lob. „Es gab keinen vorauseilenden Gehorsam“, betont er auch im Namen der Künstlerjury. Man habe frei nach dem Herzen diskutiert und entschieden. „Philip Morris ist ein absolutes Risiko eingegangen.“ Will heißen: Der Sponsor hätte unter Umständen etwas fördern müssen, was seinem Image nicht entspricht. Nun waren zu dem Wettbewerb keine politisch radikalen Kuratoren gebeten, sondern bewährte Kulturmanager wie Christoph Vitali oder Harald Szeemann. Ein richtiger Imageschaden hätte nicht entstehen können.

Hervorzuheben ist denn auch weniger die Risikofreude des Sponsors als die Unaufdringlichkeit, die die Förderpolitik von Philip Morris in der Bundesrepublik insgesamt auszeichnet.

„Wenn es um die Auswahl von Projekten geht, stelle ich ganz pragmatische Fragen. Das hilft gerade jungen Künstlern und Kuratoren am besten“, sagt Elfriede Buben. Die 36jährige gelernte Kauffrau betreut seit zehn Jahren die Kunstförderung in der Münchner Firmenzentrale – ohne Mitarbeiterteam und unabhängig von der Marketingabteilung. Die „ProSpektive“ und andere medienwirksame Ausstellungen bilden die Ausnahme. Grundsätzlich folgt die Kunstförderung zwar dem Sponsoringkonzept des Mutterkonzerns in den USA und unterstützt deren Großprojekte wie zuletzt die Rauschenberg-Retrospektive. Inhaltlich ist sie jedoch völlig selbständig, was dem Image eher förderlich ist – in den USA protestierten immerhin namhafte Künstler anfang der neunziger Jahre öffentlich gegen den Sponsor Philip Morris, weil der Tabakmulti auch dem kunstfeindlichen und reaktionären Senator Jesse Helms unter die Arme griff. Bubens Schwerpunkt liegt auf einer kontinuierlichen Förderung von kleinen Szene- und Ausbildungsprojekten an den Fabrikstandorten München, Berlin und Dresden.

In München wird unter anderem die Performancereihe „Grenzgänge“ im Gasteig unterstützt und mit einem Kunstpreis in Höhe von 10.000 Mark ausgezeichnet. In gleicher Höhe liegt ein Graphikerpreis, der von der Philip- Morris-Tochter f6 in Dresden vergeben wird. Dort und in Berlin werden seit mehreren Jahren deutsche und internationale Künstlerprogramme unterstützt. Die Auswahl der Stipendiaten und alle andere Facharbeit überläßt Buben ganz den Kulturinstitutionen vor Ort. Ob ein Projekt grundsätzlich grünes Licht erhält, entscheidet sie danach, ob es zur bisherigen Fördertradition paßt. Schlüsselkriterien: jung, innovativ, kosmopolitisch. In der Regel ist ein finanzielles Limit von jeweils einer Million Mark zu beachten. Die „ProSpektive“ war teurer, jedoch „nicht eklatant“, wie Buben sagt. Eine sechsstellige Summe, 800.000 Mark nach Schätzung der Kunstzeitung, ging an Poetter. Der Rest sind vor allem Kommunikationskosten.

Dem Künstlerhaus Bethanien in Berlin springt Philip Morris seit 1993 mit geschätzten 400.000 Mark jährlich zur Seite. Um diese Summe hatte die öffentliche Hand die Unterstützung gekürzt, so daß das renommierte internationale Atelierprogramm in Gefahr war. Auch Leiter Michael Haerdter kann „nur Gutes“ über den Sponsor berichten. Gegen eine „relativ bescheidene Zeile“ auf den Druckerzeugnissen erhalte man eine verläßliche Förderung. Dies sei „keineswegs gang und gäbe“. Gerade Großkonzerne setzen häufig auf aufsehenerregendes Eventsponsoring und machen viel Wind um relativ geringe Beträge. „Für innovative Projekte, die keine Breitenwirkung finden, interessieren sich Sponsoren nur selten“, hieß es in der Düsseldorfer Erklärung. In diesem Punkt besteht Philip Morris selbst vor Staecks Kritik.

„Es ist ein Kurzschluß, unsere Förderung mit Produktmarketing gleichzusetzen“, sagt Buben. „Natürlich wollen wir am Ende des Tages Zigaretten verkaufen. Aber es geht nicht um den Ankauf von Werbefläche, sondern um langfristige Imagepflege.“ Nach eigenen Umfragen hat sich die Strategie bewährt: „Das Publikum akzeptiert uns voll und ganz.“

Unabhängige Erhebungen bestätigen, daß die Gesellschaft Kunstsponsoring inzwischen weitgehend akzeptiert. Für Philip Morris ist dies angesichts der wachsenden Anfeindungen gegen die Tabakindustrie noch kein Happy- End. Bis zum Jahr 2006 sollen in der Europäischen Union nicht nur Direktwerbung, sondern auch Sport- und Kultursponsoring der Zigarettenkonzerne verboten sein.

Die jungen Künstler in Berlin, München und Dresden würden die Unterstützung schmerzlich vermissen.

Henrike Thomsen