Minister ignorierte Warnung vor Ölpest

■ Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Rainder Steenblock wußte frühzeitig von der drohenden „Pallas“-Katastrophe. Schon eine Woche zuvor hatte ihn das Innenministerium gewarnt. Bisher hatte er das bestritten

Hamburg (taz) – Schleswig-Holsteins Umweltminister Rainder Steenblock (Grüne) wußte seit Ende Oktober, daß der verunglückte Holzfrachter „Pallas“ kaum noch zu bergen sei. Bereits am 29. Oktober informierte nach Recherchen der taz der Staatsrat im Kieler Innenministerium, Hartmut Wegener, Steenblock darüber, daß die Gefahr eines Auseinanderbrechens der „Pallas“ bestehe. Das war vier Tage, nachdem das Schiff vor der dänischen Westküste in Brand geraten war. Dies bestätigte gestern der Pressesprecher des Innenministeriums der taz. Steenblock hingegen behauptete bisher, erst sehr viel später informiert worden zu sein. Zudem bot am 30. Oktober das Kieler Innenministerium dem Umweltminister an, die Krisenzentrale im Innenministerium zu benutzen. Die „Pallas“ lag zu diesem Zeitpunkt etwa sechs Meilen vor Amrum.

Umweltminister Steenblock hingegen bestreitet, bereits so frühzeitig über die drohende Ölkatastrophe aufgeklärt worden zu sein. Noch am Wochenende sagte er im taz-Interview, daß es erst in der Woche ab 9. November Gespräche mit dem Innenministerium gegeben habe. In dem Interview vom 14./15. November bestritt Steenblock auch, bereits so frühzeitig über die drohende Ölkatastrophe aufgeklärt worden zu sein. Auf die Frage, warum er auf einen Krisenstab des Innenministeriums verzichtet habe, obwohl er nach taz- Informationen bereits Ende Oktober gewußte habe, daß die „Pallas“ nicht mehr zu retten war, entgegnete er: „Ende Oktober ist natürlich völliger Käse. Da trieb das Schiff noch auf hoher See. Die Gespräche mit dem Innenministerium hat es erst Anfang dieser Woche gegeben.“ Konnte oder wollte er sich nicht erinnern? Klar ist: Steenblock hätte aufgrund der ihm vorliegenden Informationen bereits damals erkennen können, daß jeder weitere Abschleppversuch der „Pallas“ erhebliche Risiken barg, weil ein Riß im Rumpf drohte. Dessenungeachtet wurden die Schleppversuche fortgesetzt, ohne daß er eingriff. Erst am 5./6. November wurden sie wegen der „unübersehbaren Risiken“, wie das Umweltministerium mitteilte, „endgültig als gescheitert erklärt“.

Am 7. November wurden schließlich die Befürchtungen wahr: Ein Riß in der „Pallas“ läßt seitdem Öl ins Meer sickern. Unionspolitiker haben der schleswig-holsteinischen Regierung gestern „krasses Versagen“ vorgeworfen. In der gestrigen Aktuellen Stunde des Bundestages forderte der CDU-Umweltpolitiker Dietrich Austermann den Rücktritt von Steenblock: „Es ist an der Zeit, daß Sie politische Konsequenzen ziehen.“ Der SPD- Umweltpolitiker Michael Müller forderte eine völlige Überarbeitung des Notfallkonzepts von Bund und Ländern.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin kündigte gestern an, als Konsequenz aus dem „Pallas“-Unglück Schiffen unter Billigflaggen das Befahren der Nordsee nach Möglichkeit verbieten zu wollen. Nur so seien solche Vorfälle in den Griff zu kriegen. Heike Haarhoff

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