■ Al Gores Auftritt in Malaysia war kontraproduktiv
: Gut gemeint, schlecht getan

Gut gemeint ist auch in Malaysia das Gegenteil von gut. Deshalb hat der amerikanische Vizepräsident Al Gore der Opposition mit seiner Donnerrede keinen Gefallen getan. Nicht, weil er etwas Falsches gesagt hat, sondern weil er sich zu offensichtlich nicht die geringste Mühe gemacht hat zu überlegen, wie und wo er es anbringt. Die Form ist in diesem Fall wichtig: Gore kam nicht nur als Repräsentant einer Demokratie. Wie er da stand und predigte, verkörperte er zugleich die Arroganz der Supermacht – der viele Teilnehmer des asiatisch-pazifischen Treffens ohnehin mehr oder weniger heimlich vorwerfen, von der asiatischen Wirtschaftskrise zu profitieren. Sie glauben, daß die USA die Schwäche der asiatischen Staaten gezielt nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Ob diese Empfindlichkeit der Malaysier, auch vieler Oppositioneller, berechtigt ist, ist in diesem Zusammenhang völlig unwichtig – sie ist vorhanden. Politiker aus anderen Ländern hatten vorgemacht, daß es auch anders geht: Kanadas Außenminister lud die Frau des inhaftierten Vizepremiers Anwar Ibrahim zum Essen ein und forderte öffentlich demokratische Reformen. Auch andere taten das, zur Freude der Opposition. Es ist dumm, den malaysischen Premier zu unterschätzen. Er ist ein skrupelloser, rachsüchtiger Mann. In den 17 Jahren seiner Regierungszeit hat er es geschafft, alle innenpolitischen Gegner, die ihm gefährlich werden könnten, aus dem Weg zu räumen. Geholfen haben ihm dabei die Geheimpolizei und drakonische Gesetze, die unbegrenzte Verhaftung ohne Urteil und Verteidigung erlauben.

Geschickt hat er auch die Angst vieler Malaysier vor politischen Unruhen ausgenutzt. Besonders die Älteren sind tief im Herzen überzeugt, jede Demonstration könne die zerbrechliche Harmonie zwischen der muslimisch-malaysischen Mehrheit und den chinesischen und indischen Minderheiten vernichten. Die Erinnerung an antichinesische Pogrome von 1969 ist immer wachgehalten und von der Regierung genutzt worden, um Widerstand zu unterdrücken. Die jüngsten Angriffe auf Chinesen in Indonesien haben diese Furcht wieder verstärkt. Aber die Macht Mahathirs ist nicht nur auf Repression gebaut. Viele Malaysier sind ihm bis heute ernsthaft dankbar, daß ihr Land unter seiner Regierung so wohlhabend geworden ist. Sie fürchten, alles wieder zu verlieren. Das weiß der Regierungschef genau, und diese Ängste macht er sich zunutze – auch gegen die Opposition, der er ohnehin vorwirft, sie sei von außen gesteuert. Jutta Lietsch