Evangelische Kirche probt Manchester-Kapitalismus

■ 400 Stellen sollen gestrichen werden. Das Weihnachts- und Urlaubsgeld stehen auf dem Index

Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) plant einen Kreuzzug gegen ihre Mitarbeiter. „Bis zu 400 Stellen sollen abgebaut werden“, berichtete Erhard Laube, Vorsitzender der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW), gestern. Ganze Bereiche, etwa das Amt für Kindertagesstätten, sollen zum 1. Januar des kommenden Jahres aufgelöst werden.

Um Kündigungen abzuwenden, haben die Gewerkschaften ÖTV, DAG, GEW und GKD einen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Vor allem eine Regelung zur Altersteilzeit soll die Beschäftigung der insgesamt 9.500 Angestellten und Beamten bei der EKiBB sichern.

Die Kirche lehne Verhandlungen in einem Bündnis für Arbeit mit Verweis auf ein laufendes Schlichtungsverfahren ab, so Laube. Sie verlange als Vorbedingung den Verzicht der tariflich Beschäftigten auf das Weihnachts- und Urlaubsgeld, eine Kürzung der Gehälter und die Einführung von Zwangsteilzeitarbeit.

Bei den Gewerkschaften sorgen diese Forderungen für Empörung: „Die Kirche redet stets von sozialer Verantwortung, zeigt sich aber gegenüber den eigenen Mitarbeitern äußerst verantwortungslos“, sagte Laube. Seit einem Jahr verzögere die Kirchenleitung die Vereinbarung tarifvertraglicher Regelungen, obwohl die Arbeitnehmer in Schlichtungsverhandlungen Anfang des Jahres sogar rückwirkend auf sechs Prozent ihres Jahreseinkommens verzichtet hätten. Jetzt drängt die Zeit – erste Entlassungen sind bereits erfolgt.

Die GEW kritisiert vor allem, daß die Verantwortlichen selbst Maßnahmen wie die Einführung einer Altersteilzeitregelung ablehnten, die keine zusätzliche Belastungen mit sich brächten. Für den Bau eines neuen Konsistoriums sei demgegenübergenügend Geld da. Auch ein Finanzausgleich zwischen „armen“ und „reichen“ kirchlichen Arbeitgebern könnte, so der Vorschlag, zur Verhinderung von Kündigungen beitragen.

Ursache der Rotstift-Maßnahmen sind die sinkenden Kirchensteuererträge. Die Evangelische Kirche in Deutschland hatte erst am vergangenen Donnerstag einen um zehn Prozent gekürzten HaushaltMark verabschiedet, für das Jahr 2000 ist ein Rückgang um weitere fünf Prozent vorgesehen. In Berlin könnten laut Gewerkschaftsangaben 150 Kindertagesstätten und sieben Schulen von den Streichungen betroffen sein. Bei den Gewerkschaften hofft man auf die Delegierten der heute beginnenden Herbstsynode.

Andreas Stawinsky von der Evangelischen Kirche bestätigte gestern, daß „einzelne Kündigungen nicht ausgeschlossen werden können“. Man wolle den Personalabbau aber vor allem durch die Streichung ausgelaufener Stellen erreichen. Andreas Spannbauer