■ Friedensprozeß in Nahost: Was will Benjamin Netanjahu?
: Ein Spiel mit dem Feuer

„Der Nahostkonflikt ist das am leichtesten zu lösende Problem für den Westen, leichter als andere Konflikte in der Region“, meinte sinngemäß Henry Kissinger am vergangenen Samstag bei einer Veranstaltung in Osnabrück. „So wie am Ende des 30jährigen Krieges gibt es für Israelis und Palästinenser keinen anderen Weg, als Frieden zu schließen ... Unabhängig von seinen Motiven ist Netanjahu in den Friedensprozeß eingebunden, der unumkehrbar geworden ist.“ Macht- und realpolitisch argumentiert Kissinger sicherlich rational. Die PLO hat dies schon lange begriffen. Die israelische Arbeiterpartei und Rabin hatten sich diese Logik zu eigen gemacht, leider nur zögerlich und nicht kompromißbereit genug, um auf der palästinensischen Seite das Lager der Friedensbefürworter so stark wie möglich zu machen.

Warum aber weigern sich Netanjahu und sein Regierungsblock anzuerkennen, daß es zum Frieden durch Kompromiß und Verwirklichung des Osloer Abkommens keine Alternative gibt? Tatsache ist, daß Netanjahu keinen Versuch unterlassen hat, um sich der Logik des Friedensprozesses zu entziehen. Terroranschläge der Hamas wurden immer zum Anlaß genommen, um vereinbarte Regelungen mit der palästinensischen Autonomieregierung wieder auszusetzen. Dem Wye-Abkommen stimmte Netanjahu unter US-Druck zu, offensichtlich, um es bei nächster Gelegenheit wieder auszusetzen. Wäre er von diesem Abkommen und vom Friedensprozeß überzeugt, hätte er Gelegenheit gehabt, es in einer Großen Koalition mit der Arbeiterpartei rasch zu realisieren. Wenn Netanjahu ein klares Ziel verfolgt, so ist dieses an der zentralen Bedingung abzulesen, von der er immer wieder seine Bereitschaft zum Friedensprozeß abhängig gemacht hat: die wirksame Bekämpfung des Terrorismus durch die palästinensische Autonomieregierung. Eine Bedingung, die nach jedem Terroranschlag erneuert und nach dem Anschlag am Markt in West-Jerusalem nunmehr mit der Forderung nach der Zerstörung der „Infrastruktur des Terrors“ auf die Spitze getrieben wurde. Netanjahu weiß, daß diese Bedingung, selbst wenn die PLO dazu bereit wäre, unerfüllbar ist und daß damit die PLO eher zu einem offenen Krieg mit Hamas getrieben werden könnte. Ein Bürgerkrieg unter den Palästinensern, ist dies vielleicht der Weg, um Oslo doch noch loszuwerden? Eine eher pathologisch begründete als politisch durchdachte Alternative, die aber nicht ausgeschlossen werden dürfte. Mohssen Massarrat

Professor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück