Streit über NS-Zeit enthemmt Eidgenossen

■ Debatte über Rolle der Banken im Zweiten Weltkrieg fördert Antisemitismus zutage

Bern (AP) – Die Kontroverse über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg hat eine Welle von Antisemitismus, aber auch eine aktive Haltung dagegen ausgelöst. Zu diesem Schluß kommt die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) in ihrem neuesten Bericht. Das Wiederaufflammen der Feindseligkeit gegen Juden in der Schweiz sei für ihre jüdischen Gemeinden ein Schock gewesen, sagte die Leiterin des EKR- Sekretariats, Doris Angst Yilmaz, gestern in Bern.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei Antisemitismus in der Schweiz nämlich ein Tabu gewesen. Es sei weder über jüdische Flüchtlinge noch über deren Helfer gesprochen worden. Der Antisemitismus sei vordergründig verschwunden, untergründig jedoch dauernd dagewesen.

Wie die Kommission im Bericht „Antisemitismus in der Schweiz“ feststellt, sind die stets vorhandenen antisemitischen Vorurteile in den Jahren 1996 bis 1998 durch die Kontroverse um die nachrichtenlosen Vermögen von jüdischen Nazi-Opfern in neuer Form wieder an die Oberfläche gelangt. Die Hemmungen, sich antisemitisch zu äußern und zu handeln, wurden geringer. Im Laufe des Jahres 1997 gab es eine regelrechte antisemitische Welle, die in Leserbriefspalten, in Drohbriefen an jüdische Organisationen und Persönlichkeiten zu Tage trat. Politikeraussagen hätten dazu beigetragen, den Antisemitismus geradezu salonfähig zu machen, sagte Angst.

Die Enttabuisierung des Themas Antisemitismus habe aber auch positive Seiten, sagte EKR- Präsident Georg Kreis. Erstmals habe sich in der Schweiz eine Gegenposition zum Antisemitismus gebildet. Die offen geführte Diskussion habe zu einem unbefangeneren Umgang zwischen Schweizern nichtjüdischer und jüdischer Konfession geführt. Diese Diskussion will die Kommission nun weiterführen. Politik und Verwaltung trügen dabei eine besondere Verantwortung, denn ihr Verhalten habe Vorbildcharakter.