Sag mir, wo die Täter sind

■ Tagung neue Strategien gegen häusliche Gewalt: Die Täter sollen nicht mehr ungeschoren davonkommen. Im Ausland funktioniert das recht gut, hier fehlt es an Sanktionsmöglichkeiten

Eines Tages“, träumte die Wienerin Rosa Logar, „wollen wir die Frauenhäuser zusperren. Vielleicht lassen wir eins als Mahnmal an finstere Zeiten bestehen.“ Auf einer Fachtagung der Berliner Senatsverwaltung für Frauen am vergangenen Freitag, zu der zahlreiche ProjektvertreterInnen aus dem In- und Ausland geladen waren, wurde noch einmal deutlich: Frauenhäuser sind nur eine kurzfristige Notlösung, langfristig entlasten sie unfreiwillig die Täter und eine Gesellschaft, in der laut Umfragen jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von ihrem Partner mißhandelt wird. Um dem abzuhelfen, hat fast unbemerkt von der Medienöffentlichkeit seit 1993 ein Perspektivenwechsel stattgefunden, den Frauen-Staatssekretärin Eva Korthaase (SPD) so beschrieb: „von der Defensive zur Offensive, von der isolierten Opferbetreuung zur Vernetzung und zur Täterarbeit“.

„Sag mir, wo die Männer sind“, fragte 1993 eine von Halina Bendkowski organisierte Tagung. Obwohl Gewalt gegen Frauen „ausschließlich ein Männerproblem“ sei, kritisierte dort die damalige Berliner Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD), werde sie von der Politik gerne als „Frauenproblem“ gehandelt, die Täter blieben oft genug ungeschoren. Als Gegenmodell empfahl Initiatorin Bendkowski das „Domestic Abuse Intervention Project“ (DAIP) in der US-amerikanischen Kleistadt Duluth: Dort wird ein Mißhandler in Gewahrsam genommen, während das Opfer betreut wird. In der Gerichtsverhandlung, in der der Staat Minnesota als Kläger auftritt, erhält der Täter meistens die Auflage, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen. „Angeregt durch Duluth“, berichtete Staatssekretärin Korthaase jetzt, „sind in Holland, England, Österreich, der Schweiz, Hannover, Bremen, Gladbeck und Berlin neue Projekte entstanden.“

Zum Beispiel Wien: In Österreich ging – anders als in Deutschland – die Initiative von den Frauenhäusern selbst aus. Auf ihren Druck hin wurden 1997 neue Antigewaltgesetze erlassen. Die Polizei hat seitdem die Möglichkeit, eine gewalttätige Person eine Woche lang aus der Wohnung zu weisen. Innerhalb dieser Frist können die Opfer vor Gericht eine Einstweilige Verfügung auf Verlängerung oder weitere Schutzmaßnahmen beantragen. Anders als nach dem deutschen Datenschutzgesetz darf die Polizei die Daten von mißhandelten Frauen an die 1998 gegründete Wiener „Interventionsstelle“ weitergeben, die Kontakt mit den Betroffenen aufnimmt. „Bis auf eine Ausnahme waren die Frauen sehr froh, daß jemand sich um sie kümmert“, berichtete Rosa Logar von der „Interventionsstelle“. „Das ist vielleicht der beglückendste Teil unserer Arbeit.“

Zum Beispiel England: Dort, so das Londoner „Domestic Violence Intervention Project“, gibt es seit 1996 einen neuen „Family Law Act“, der jeder Person „in einer häuslichen oder familiären Beziehung“ die Möglichkeit gibt, einen gerichtlichen Bann gegenüber einem Gewalttäter zu erwirken. Wer weiter sein Opfer bedroht, kann verhaftet und verurteilt werden.

Zum Beispiel Hannover: Seit 1997, so die polizeiliche Präventionsbeauftragte Susanne Paul, bemühe sich die Polizei, häusliche Gewalt nicht mehr als „Familienstreitigkeiten“ zu sehen, sondern als Straftat zu verfolgen. Herzstück des Projektes: Eine mit SozialarbeiterInnen besetzte Clearingstelle, nimmt Kontakt mit den Tätern auf, Opfer können in der „Bestärkungsstelle für Frauen“ psychologische Hilfe bekommen, Täter ein Trainingsprogramm beim „Männerbüro“ absolvieren. Aber in Hannover bleiben die Kurse leer, weil der nötige rechtliche Druck auf die Täter fehlt.

Zum Beispiel Berlin: Auch die Vorhaben des Modellprojekts „Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen“ (BIG) sind weitgehend papiern. Eine Interventionsstelle solle im nächsten Jahr entstehen, berichtete Koordinatorin Heidrun Brandau. Mit großem Aufwand wurde ein Programm für Täter entwickelt, mangels Nachfrage jedoch noch nicht begonnen.

Sag mir, wo die Täter sind: Das wird wohl solange noch gelten, wie auch die neue rot-grüne Bundesregierung die nötigen rechtlichen Änderungen nicht vornimmt. Ute Scheub