Andy Warhol im Bendlerblock

■ Verteidigungsminister Scharping hat seinen neuen Arbeitsplatz besichtigt: Die Umgestaltung des Bendlerblocks zum Dienstsitz des Verteidigungsministeriums dauert länger als erwartet

Bisher ist völlig unklar, ob der Bendlerblock am Reichpietschufer wie geplant im Juli nächsten Jahres an Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) übergeben werden kann: Die über achtzig Jahre alten Säulen in der Eingangshalle sind mit Planen verhangen, Kabel ragen aus den Wänden, und auf dem Boden liegen schwere Bauplatten. Neue Fenster sind noch nicht geliefert. Mittendrin steht Rudolf Scharping, schaut sich neugierig um und faßt an sein Kinn, wenn er grübelt. Noch ist der Zweitsitz des Ministeriums eine Baustelle, aber spätestens im November 1999 will der Verteidigungsminister mit seinem 300 Personen starken Mitarbeiterstab den Bendlerblock beziehen. Für Scharping kein Problem: Er erklärt sich bereit, den Dienstsitz für ein paar Monate in die Julius-Leber-Kaserne in Wedding zu verlegen.

Scharping marschiert durch die langen Korridore und kahlen Räume. Oft ist der Putz abgetragen, und das Mauerwerk darunter scheint die bewegte Geschichte des Hauses erzählen zu wollen. 1911 war Baubeginn für das Reichsmarineamt. Rechtzeitig zum Erstem Weltkrieg 1914 wurde das mächtige Gebäude fertiggestellt und konnte etwa zwei Jahrzehnte später der Heeresleitung der Nationalsozialisten als Standort dienen. Die sowjetischen Truppen hatten 1945 ein kurzes Gastspiel. Später waren hier u.a. die Bundesversicherungsanstalt und das Robert-Koch-Institut untergebracht. Im nächsten Jahr bezieht mit Rudolf Scharping erneut ein militärischer Stab das Haus.

Scharping steht in seinem zukünftigen Dienstzimmer. Mit etwa 70 Quadratmeter Fläche ist es so groß wie eine Zweizimmerwohnung. „Wenig repräsentativ“ soll sein Büro später aussehen, aber er will ein „Höchstmaß an Leistungsfähigkeit“. Außerdem möchte er das Andy-Warhol-Bild aus seinem alten Büro aufhängen. Noch ist der Raum aber eine Baustelle. Scharping fühlt sich nicht wohl. „Zur Zeit gefällt mir das Gebäude überhaupt nicht“, sagt er, „aber es wird bestimmt schön.“ Während er den Raum verläßt, sagt er leise: „Solange in diesem Gebäude nicht der Geist von 1914 steckt.“

Scharping will mit dem Bendlerbau ein friedliches Kapitel Geschichte schreiben. „Man kann dem Haus einen anderen Hauch geben, ohne dabei die Vergangenheit zu verdrängen“, sagt er. Ihm ist es recht, wenn der Briefkopf des Ministeriums die Stauffenbergstraße statt Reichpietschufer als Postanschrift trägt.

Nach seinem Rundgang besucht Scharping die Gedenkstätte Deutscher Widerstand. In den Räumen mit den Schwarzweißfotos, Originaldokumenten der „Weißen Rose“ und NS-Plakaten legt er die Hand nachdenklich an das Kinn. Immer dann, wenn Museumsleiter Johannes Tuchel von Schicksalen der Widerstandskämpfer erzählt. Nach etwa zwei Stunden endet Scharpings Besuch des Bundesverteidigungsministeriums. Er scheint bereit, die Aufgabe anzunehmen. „Sehn Sie zu, daß das Gebäude fertig wird und nicht so grau bleibt“, ruft er entschlossen seinem Referenten zu und steigt in die Limousine. Mike Szymanski