Erfolgreiche „rote Kaderschmiede“

Die Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) wird 50  ■ Von Volker Stahl

Studium ohne Abitur – diesen bildungspolitischen Meilenstein setzte 1948 die Hamburger „Akademie für Gemeinwirtschaft“ in die deutsche Hochschullandschaft. Damals war das noch einmalig, und die gewerkschaftsnahe Einrichtung, die seit 1970 den Namen „Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP)“ trägt, war schnell als „rote Kaderschmiede“ verschrien. Morgen feiert sie ihr 50jähriges Jubiläum – und genießt als Vermittlerin von Theorie und Praxis mittlerweile nicht nur bei linken BildungspolitikerInnen einen guten Ruf.

Das war nicht immer so. Noch vor knapp einem Jahrzehnt bezweifelte die Hamburger CDU „die mittel- und langfristige Notwendigkeit dieser Hochschule“. Die Christdemokraten malten das Schreckgespenst der marxistischen Ökonomie an die Wand, in deren Sinne Studierende indoktriniert würden. Dabei lag schon damals das Durchschnittsalter der Absolventen bei 32 Jahren – eine Lebensphase, in der das politische Weltbild der meisten Menschen weitgehend festgezurrt sein dürfte. Der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident und HWP-Absolvent Björn Engholm vermutete einen anderen Hintergrund für die Polemik. Er warf den Kritikern vor, sie wollten unter sich ausmachen, „was akademisch und was Bildung ist“.

Das Image des akademischen Schmuddelkindes, das konservative Bildungspolitiker der HWP verpaßten, ist heute als Feindbild verblaßt. Statt die Hochschule zu verschmähen, bemühen sich auch immer mehr Abiturientinnen um einen Studienplatz. Bewarben sich 1990 noch 835 Personen ohne Hochschulreife, so waren es im letzten Jahr nur 263. Parallel zu dieser Entwicklung wurde der formale Status der HWP aufgewertet. Die Bundeskonferenz der Hochschulrektoren erkannte die Einrichtung 1993 als Universität an und erteilte ihr damit den akademischen Ritterschlag. Das Promotions- und Habilitationsrecht bekam die Hamburger Hochschule bereits zwei Jahre zuvor verliehen.

Trotz dieser Etablierung hat die HWP den bildungspolitischen Anspruch ihrer Gründer – unter ihnen der spätere Wirtschafts- und Finanzminister der SPD, Karl Schiller – nicht aufgegeben. Noch heute legt Präsident Lothar Zechlin Wert auf die Überwindung des klassischen Dualismus von Praxis und rein theoretisch orientierter Wissenschaft. „Deshalb bevorzugen wir Bewerber, die schon ein paar Jahre gearbeitet haben.“ Die HWP war und ist eine Hochschule für Berufserfahrene. Knapp 90 Prozent der StudentInnen haben Erfahrungen an der Werkbank, hinter dem Verkaufstresen oder im Büro gemacht.

Ein überdurchschnittlicher Teil von ihnen überschreitet die Regelstudienzeit nicht, und eine Untersuchung ergab vor einem Jahr, daß rund 75 Prozent zufrieden sind und Freunden eine Ausbildung an der HWP empfehlen würden.

Auch in Sachen Studienreform machen die 2547 StudentInnen, 43 ProfessorInnen und 44 wissenschaftlichen große Sprünge. „Bis Ende der 70er Jahre gab es nur den Abschluß nach sechs Semestern, den viele als Sprungbrett für die klassische Uni nutzten“, erklärt HWP-Sprecherin Sigrun Nickel. Heute bietet die Hochschule auch Weiterbildungs-Studiengänge wie Ökologisches- und Sozial- und Gesundheitsmanagement. Die vertretenen Fachrichtungen sind allerdings auf den betriebs- und volkswirtschaftlichen, rechtswissenschaftlichen und soziologischen Bereich beschränkt.

Seit 15 Jahren gibt es an Hamburgs kleinster Uni gestufte Studienabschlüsse, die denen in Frankreich oder den angelsächsischen Ländern ähneln. So können Diplome in Wirtschafts- und Arbeitsrecht und drei weiteren Studiengängen in sechs Semestern erworben werden. Theoriebegeisterte Studis schließen nach weiteren neun Semestern das sogenannte Projektstudium ab – als Sozialökonom oder Master für europäische Unternehmensführung.

Auf Internationalität legt die HWP besonderen Wert. Die gestuften Abschlüsse garantieren die Anbindung an internationale Strukturen. Elf Prozent der Immatrikulierten sind Ausländer, und die Zahl der Partner-Hochschulen steigt ständig. 20 Prozent der deutschen Lernenden können nach ihrem Studium einen Auslandsaufenthalt vorweisen. „Wir sind damit die einzige Hochschule in Hamburg, die die von der Europäischen Union empfohlene Quote von zehn Prozent erfüllt“, freut sich Nickel.

Diese Ausbildung schafft rosige Berufsaussichten. Nach sechs Semestern Studium plus Diplomprüfung meldet sich, statistisch gesehen, nur einer von zwanzig Betriebswirtschaftlern und Soziologen arbeitslos; bei den Volkswirtschaftlern steht jeder zehnte auf der Straße.

„Wer an der HWP studiert, wird berühmt“, titelte eine Zeitung kürzlich im Tonfall der Übertreibung. Gemeint waren unter anderen Gewerkschafter Heinz Oskar Vetter, Niedersachsens neuer Regierungschef Gerhard Glogowski (SPD), Ex-Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau und Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (siehe Interview unten). Spätestens sein Name spricht gegen das Vorurteil von der „roten Kaderschmiede“.

Am morgigen Sonntag, 1. November, um 11.30 Uhr begeht die Hochschule ihre Festveranstaltung „50 Jahre HWP“, Von-Melle-Park 9, 20146 Hamburg, % 4123 2189. Es gratulieren Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und die stellvertretende DGB-Chefin Ursula Engelen-Kefer. Im November erscheint die Jubiläumsschrift „Kleine Geschichte der HWP“, VSA Verlag Hamburg, 39,80 Mark.