Bei Ministers zu Haus (3)

Werner Müller steht hinter dem braunen Jägerzaun und hält bereitwillig das Gartentor auf. „Vor dem Wintereinbruch und der neuen Legislaturperiode muß ich noch einiges in Ordnung bringen“, sagt er und wischt sich die Hände an seiner grünen Cordhose ab, „die Zeit wird knapp.“ In Windjacke und festen Übergangsschuhen geht der designierte Wirtschaftsminister über den mit Waschbetonplatten ausgelegten Weg in den hinteren Teil des Gartens.

„Dieser Ort liegt mir besonders am Herzen.“ Müller deutet mit einem kleinen Seufzer auf eine lange Reihe von kleinen Eisenkreuzen und Marmorplatten. Wehmütig schweift sein Blick über das kleine Gräberfeld und bleibt an einem Miniatur- Mausoleum im Stil eines griechischen Tempels hängen. „Hier liegen alle meine Hamster begraben.“ Und tatsächlich. Die Gravuren auf jedem der blankpolierten handgroßen Marmorplatten lassen keinen Zweifel: Hier liegen seine „Goldis“ – von I bis XVII. Auf den Kreuzen immer wieder nur der bedrückend schlichte Satz: „In Trauer, Werner“. Um die Gräber hat Müller kleine Kieswege angelegt, mit Spielzeugbänken zum Verweilen. Im Mittelpunkt der Anlage laufen die Kieswege zusammen und führen zu dem tempelartigen bonsaibaumumstandenen Säulenbau im Kleinformat, dessen Anblick Werner Müller auch noch nach so vielen Jahren bis ins Innerste erschüttert. „Meine Hamstergedenkstätte!“ bricht es aus ihm heraus. Mit leicht fahrigen Bewegungen kramt er eine Art Grablicht aus seiner Jackentasche. Es ist ein silberner Fingerhut, in dem Müller eine winzige Kerze befestigt hat. Nach mehreren Versuchen gelingt es ihm, die Kerze per Streichholz anzuzünden. Die Hände schützend um das kleine Licht gelegt, bugsiert er es vorsichtig ins Innere der Hamstergedenkstätte. In gebückter Haltung verweilt Müller einen Augenblick und sagt dann nahezu tonlos: „Hier hat immer eine Kerze gebrannt. Das bin ich meinen Goldis schuldig, die soviel treuer und sensibler sind als die ganze Strommanagerbande.“ Selbst nach härtesten Verhandlungsrunden habe er sich noch nachts in den Dienstwagen gesetzt, sei über die Autobahn gebraust – nur, um das Licht im Hamsterfriedhof am Leben zu halten. Stimmt es nicht hoffnungsvoll, daß ein solch zartbesaiteter Mann künftig die Wirtschaft unseres Landes möglicherweise so liebevoll gestalten wird wie den hinteren Teil seines Gartens? Matthias Thieme