Vom Bedienen in Wunschtraumwelten

■ Gekonnter Kitsch: Die Lesbisch-Schwulen Filmtage dokumentieren mit „Pierre et Gilles: Love Stories“ das Werk und Weltbild des französischen Künstlerpaars

Kurt Tucholsky spekulierte einmal, wenn Schwule schwärmten, dann schwärmten sie „in sanftem Himmelblau, sozusagen blausa“, was vermutlich auf ihre Verfolgung zurückzuführen sei. Verfolgung dominiert das heutige europäische gay life nicht mehr; dennoch gibt es nach wie vor eine besondere Beziehung zwischen Schwulen und Kitsch. Oder – wahrscheinlicher – Schwule leben ungenierter aus, was Heteros sich nicht eingestehen, und nicht selten wird daraus irgendwann „Kult“.

Selten wurde Kitsch derart gekonnt in den Kunsttempel erhoben wie durch das französische Künstlerpaar Pierre et Gilles. Ihre fotografierten und übermalten Porträts von Prominenten und Nichtprominenten versetzen sie in eine betont künstliche Welt aus Nippes, Glitter und Flitter oder vor Naturkulissen wie Wald oder Strand. Gezeigt wird eine Welt, in die nichts zu dringen scheint, was nicht der sentimentalen Phantasie dient. Verletzungen sind nurmehr Accessoires, die die erotisch aufgeladene Stimmung unterstreichen. „Blausa“ ist das nicht, eher knallig, und deutlich der Pop Art verpflichtet. Daß der Prunk nicht wirklich kostbar und die Natur nicht „echt“ ist, wird keineswegs vertuscht, aber das Arrangement ist derart perfekt, daß man sich gerne hineinziehen läßt.

Reiner Eskapismus? Wer will, kann in die Übertreibung auch postmoderne Ironie hineinlesen oder das Sichtbarmachen der Mechanismen von Trivialmythen. Pierre et Gilles weisen derartige Sinnsucherei allerdings von sich und betonen, sie wollten nur der Häßlichkeit der Welt möglichst viel Schönheit entgegensetzen.

Dabei bedienen sie sich hemmungslos in allen wunschtraumanregenden und -bedienenden Bilderwelten: Sei es der Ferne Osten oder der schnuckelige französische Gärtnerbursche. Auf den Lesbisch-Schwulen Filmtagen ist nun ein 1997 entstandener Dokumentarfilm von Mike Aho zu sehen, der anhand von Interviews mit Pierre et Gilles und ihren Modellen die Entstehung ihrer Bilder beleuchten soll. Jakob Michelsen

„Pierre et Gilles: Love Stories“ läuft im Programm „Bonbon après-midi“ am Sonntag, 25. Oktober um 15 Uhr im Metropolis.