„Menschenverachtende Züge“

■ Zwischenbericht der behördlichen „Arbeitsgruppe Scientology“ veröffentlicht /Gefahr für Sektenmitglieder und Demokratie Von Thomas Koch

Als „ernsthafte Bedrohung für die Gesellschaft“ hatte Innensenator Hartmuth Wrocklage die Aktivitäten der „Scientology Church“ gegeißelt, als er Ende September ein Maßnahmen-Paket gegen die Psycho-Sekte durch den Senat peitschte. Die SenatorInnen entschieden: Mit zahlreichen Gesetzesänderungen – vom Heilpraktikergesetz bis zum Wucherparagraphen – soll der Spielraum der US-Sekte drastisch eingeengt, Scientology-Firmen zudem möglichst die „Ausübung des Gewerbes untersagt“ werden (taz berichtete).

Die Grundlage für die angekündigte Senatsoffensive – den Zwischenbericht der bei der Innenbehörde angesiedelten Arbeitsgruppe Scientology (AS) – aber hielt Wrocklage zunächst streng geheim. Nun liegt er (der taz) vor.

Die von der früheren SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ursula Caberta geleitete AS hat in dreijähriger Kleinarbeit Informationen zusammengetragen, die ein verheerendes Schlaglicht auf die Sekte werfen. Die AS beschuldigt die JüngerInnen des Sektengründers Hubbard, eine „Ideologie“ zu verbreiten, die „menschenverachtende Züge“ trage. Dabei können sich Caberta & Co. auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts berufen, das der Organisation ebenfalls „menschenverachtende Anschauungen“ attestierte.

Das Gericht bezog sich dabei auf sekteninterne Schriftstücke, in denen sozial schwache Gruppen als „widerwärtige Burschen“ bezeichnet wurden. Auch brächten die Methoden, mit denen Scientology „seine Mitarbeiter zu immer neuen Höchstleistungen treiben will“, für die Betroffenen die „Gefahr“ mit sich, „erhebliche gesundheitliche Schäden“ davonzutragen. Die Arbeitsgruppe spricht darüber hinaus von einer „Vielzahl von Berichten“, nach denen „einzelne Personen erhebliche psychische Schäden durch die Anwendung von Scientology-Techniken erlitten“ haben. „Schilderungen über Realitätsverluste und Suizidgefährdungen“ würden „immer wieder auftreten“.

Doch nicht nur das einzelne Sektenmitglied werde durch die Aktivitäten der „Church“ bedroht. Die AS kommt zu dem Schluß: „Die Gesamtstrategie zielt darauf ab, in jedem Land der Welt unter der Vorgabe des ,Clear Planet' die jeweils herrschende Ordnung zugunsten der Hubbardschen Scientology-Gesellschaft zu verändern.“ Weiter heißt es: „Setzt sich die Strategie durch und greift der Staat nicht ein, wären in der Konsequenz einige grundlegende Elemente eines demokratischen Rechtsstaates außer Kraft gesetzt; so z. B. das Versammlungsgesetz, die Meinungsfreiheit und die Selbstbestimmung des einzelnen.“

Ein deutlicher Wink an die Innenbehörde, die Sekte endlich vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Doch darüber will Wrocklage „zur Zeit nicht nachdenken“.