Prêt-à-porter
: Journalistenhetzen ist out

■ Die Sommermodenschauen waren eine Pleite. Nun hofft man in Paris auf die Rückkehr der Avantgarde-Couture – und potente Kunden

Vergiß London und Mailand: Gestern begannen die Pariser Modeschauen für die Sommermode 1999. Aber irgendwie scheint es anders zu laufen als sonst. Ein Blick auf den Kalender zeigt interessante Veränderungen. Die prestigeträchtigen Schauen am späten Abend sind traditionell mit der Avantgarde besetzt. Aber diesmal mußten die alten Avantgardisten wie Comme des Garçons, Gaultier und Margiela neuen Favoriten weichen: Jurgi Peersons, Veronique Branquinho und – Hermes. Viele der neuen jungen Designer sind an den Ort zurückgekehrt, den die alte Avantgarde verschmäht hat: Sie zeigen ihre Kollektionen im Louvre. Journalisten an schicke abgelegene Orte zu hetzen ist out.

Die neue Nüchternheit hat aber auch ihre trüben Seiten: Die Schauen werden noch kleiner. Dior will seine Einladungen halbieren – nur noch 500. Dries van Noten desgleichen, und Dirk Bikkembergs zeigt sogar nur noch vor 138 Zuschauern. Auf meinen Hinweis, daß 2.000 Journalisten in der Stadt seien, erklärt der Pressesprecher nur müde: „Eine Show für 2.000 Leute... Wissen Sie, was das kostet?“

Das hätte früher niemand im Luxusgewerbe zu sagen gewagt. Aber die Asienkrise nimmt kein Ende! Absatzeinbrüche bis zu dreißig Prozent werden hier gemeldet. Der Markt wird enger und muß sich wieder mehr auf Europa und Amerika konzentrieren. Den Kampf um die Einkäufer hat der Neu-New-Yorker Helmut Lang mit einem riskanten Coup eröffnet. Bisher standen die Schauen in New York am Ende der Reihe London, Mailand, Paris. Da sind die Einkäufer schon eine Menge Geld losgeworden. Lang verlegte seine Schau diesmal kurzerhand an den Anfang: Vor die Schauen in allen anderen Städten der Welt. Calvin Klein und Donna Karan zogen eilig mit. Schlecht für die anderen New Yorker Designer, die ihre Kollektion wie bisher im November zeigen. Wer fliegt schon wegen Bill Blass nach New York? Lang hat einen glänzenden Ruf. Sein cooler Modernismus war für amerikanische Designer jahrelang vorbildhaft. Niemand sonst hätte so einen Schritt wagen können.

Es war ein Mißerfolg. Wer die Modekarawane anführt, muß sich einiges einfallen lassen. Statt des Appetizers bot Lang jedoch nur einen Aufguß alter Ideen – weiße Kleider aus mehreren Stofflagen mit einem pinkfarbenen Schleier darüber und Anzüge mit Sportswear-Elementen. „Hat er alles schon mal gemacht“, urteilte Suzy Menkes in der International Herald Tribune. Und die New York Times meinte kühl: Donna Karan hat mehr gewagt. Beruhigt erklärte Giorgio Armani daraufhin letzte Woche bei den Schauen in Mailand, London, Mailand und Paris könnten ihre Schauen ja etwas vorziehen, damit die Amerikaner nicht ganz so spät dran sind. Eine Woche? Mehr sei leider nicht drin, im August habe Italien Ferien.

Auch London mußte diesmal einiges einstecken. Bisher galt britische Mode als wild, kreativ und unverkäuflich. Moderedakteure goutierten das mit Genuß, um anschließend etwas von oben herab zu fragen: Wann werdet ihr erwachsen? Diesmal nahmen sich die Briten ein Herz und motzten ihre modernen Kleider mit Rüschen, Stickerein und handgemalten Motiven kommerziell auf – und was ist das Resultat? Die Presse klagte unisono: London hat seinen Pep verloren, es wird kommerziell.

Verkaufen ist eine soziale Tat, antworten darauf die Ex-Avantgardisten von Red or Dead. Nur wer verkauft, kann Leute einstellen. Anja Seeliger

Ab heute berichtet die taz täglich über die Prêt-à-porter-Schauen in Paris