Stoffpuppen und Arschwackeln

■ Eine Nummer zu dick: „Macbeth“ im Theater im Zimmer

Leichen pflastern ihren Weg. Mit Karacho knallen zwei Kerle in Stiefeln und Stahlhelmen lebensgroße Stoffpuppen auf die Bühne. Eine, noch eine, Dutzende der gesichtslosen Wesen fliegen in alle Ecken, die schlaffen Glieder hilflos von sich gestreckt. Macbeth (Wolfgang Kraßnitzer) und Banquo (Günther Schaupp) als brutale Kriegshelden – mit diesem beeindruckenden Bild beginnt Wolfgang Kraßnitzers und David Gravenhorsts Inszenierung von Macbeth im Theater im Zimmer.

Der furiose Auftakt hält nicht, was er verspricht. Bis zur Pause stolpern die Akteure von einem grellen Effekt zum nächsten. Erst zum Schluß kommt Ruhe in das Geschehen, die groteske Komödie entwickelt sich zur Tragödie, und die überzeichneten Nebenfiguren gewinnen menschliche Züge. Wenn die Berufssoldaten Macbeth und Banquo sich nach getaner Metzel-Arbeit ein Bierchen genehmigen, um sich dann von drei halbnackten Frauen verführen zu lassen, könnte das durchaus komisch sein. Doch ohne ironische Brüche wirkt ihr Herumhuren einfach abstoßend, und beim Ausziehen und Arschwackeln der drei zu Huren stilisierten Hexen fühlt sich der Zuschauer wie in einer schlechten Sado-Maso-Show.

Alles ist eine Nummer zu dick aufgetragen. Aus einer weihnachtlichen Kasperletheatervorstellung scheint König Duncan (Christiane Quast) entflohen zu sein: Er trägt einen Rauschebart, der per Gummiband am Kopf befestigt ist. Daß er trotz betont tiefer Stimme eindeutig eine sie ist, hat Methode. Welche, bleibt ein Geheimnis.

Nur Wolfgang Kraßnitzer darf sich allein auf seine Hauptrolle konzentrieren, wirkt aber zunächst sehr angestrengt. Christiane Ostermayer als ehrgeizige Anstachlerin überzeugt dagegen sofort. Emotionale Tiefe ist ansonsten nicht auszumachen. Hier eine Prise Provokation, dort eine kräftige Portion Sex, dann noch ein bißchen Geschlechterwirrwarr. Auf die Kraft des Shakespeareschen Dramas scheinen Macher und Akteure erst nach und nach zu vertrauen.

Ein grandioser Einfall durchzieht die Inszenierung: Zweieinhalb Stunden schleudern alle Stoffpuppen herum, hängen sie an Fleischerhaken, nageln sie an Bretter. Auf diesem Kanonenfutter baut Macbeth sein königliches Schloß. So nehmen die eigentlichen Verlierer von Machtgier und Gewalttätigkeit, die zahlreichen namenlosen Opfer, Gestalt an. Karin Liebe