Die eigenen SPDler werden's schon richten

RWE präsentiert geschönte Rekordbilanz und sorgt sich nur offiziell über die Zukunft von Braunkohle und Atomkraft. Belegschaft unterm Strich gesunken, Verluste beim Telefongeschäft  ■ Aus Essen Klaus-Peter Klingelschmitt

Tief im Westen: Sozialdemokratisches Stammland mit der heimlichen Hauptstadt Essen, dem Stammsitz der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke. Und die RWE erwartet auch „nach dem desaströsen Ausgang der Bundestagswahl“, so die allgemeine Einschätzung bei den Managern der RWE-Energie AG gestern auf der Bilanzpressekonferenz der Konzernmutter in Essen, noch immer Beistand von ihren Sozialdemokraten: Bei der Realisierung der Braunkohlegewinnung im Tagebau Garzweiler II; und natürlich auch bei der „friedlichen Nutzung der Atomenergie“.

Die Rechnung, die von RWE unter der Hand aufgemacht wurde, ist einfach. Der Wirtschaftsminister von Nordrhein- Westfalen (NRW), Bodo Hombach, ein Garzweiler-II-Fetischist, kommt als Kanzleramtsminister zu Gerhard Schröder, ein anderer „Garzweiler“ rückt in Düsseldorf nach. Und Schröder selbst nimmt die ausstiegswilligen Grünen an die kurze Leine. So soll eine Laufzeitgarantie nicht nur für die Altmeiler von RWE bis zum Jahre 2010 erreicht werden. Bis zu diesem Datum, so RWE-Vorstandsboß Dietmar Kuhnt gestern, sei die Energieversorgung der Republik auch mit Atomstrom garantiert. Und über den Neubau von AKW könne im Rahmen eines angestrebten Energiekonsenses dann später nachgedacht werden.

Die SPD soll es also richten für die RWE – wie schon immer in NRW. Offiziell sagt das Kuhnt allerdings nicht. Da heißt es mit scharfen Blick auf die neuen Regierungsparteien nur lapidar: „Wirtschaftspolitik muß sich an Fakten orientieren. Für Ideologien ist kein Platz. Aber ich bin zuversichtlich, daß es in den zwingenden und notwendigen Gesprächen zwischen Politik und Wirtschaft über die zukünftigen energiepolitischen Rahmenbedingungen zu Lösungen kommen wird, die eine weitere Stabilität der Wirtschaft sichern.“

Minister in spe Bodo Hombach war nicht da. Aber freundliche Sozialdemokraten aus Stadt und Land klopften nach der Vorstellung der Bilanz durch Kuhnt am Vorstandstisch eifrig Schultern. Schließlich gilt es auch, 100 Jahre RWE in Essen zu feiern; und die 9.352 neuen MitarbeiterInnen, die 1997 Mitglieder der RWE-Familie wurden. Damit, so Kuhnt stolz, habe sich die Zahl der Beschäftigten auf 145.467 erhöht. Tatsächlich wurden bei RWE Stellen abgebaut. Die neuen MitarbeiterInnen sind die „alten“ Beschäftigten von Tochtergesellschaften, die im vergangenen Jahr neu in die Bilanz aufgenommen wurden: etwa bei den ungarischen Energiebeteiligungen von RWE. Neue Arbeitsplätze wurden nur in der Druckmaschinensparte geschaffen.

So schön wie die Beschäftigtenbilanz rechnete Kuhnt auch das Konzernergebnis. Der Konzern erwirtschaftete bei einem Umsatz von 72,7 Milliarden Mark zwar einen Überschuß von 1,434 Milliarden Mark, ein Plus von 10,1 Prozent. Doch der Gewinn resultiert auch aus umfangreichen „Desinvestitionen“ (Verkäufen), die jetzt bilanzwirksam wurden.

So richtig verhagelt präsentiert sich die Bilanz der RWE-Telekomtochter Telliance. Unerwartet hohe Anlaufverluste von 324 Millionen Mark beim Start von o.tel.o und auch Verluste beim Netzbetrieb e-plus. Für Kuhnt dennoch keine verlorenen Millionen, denn der Telekommunikationsmarkt sei eine Wachstumsbranche.