Die internationale Finanzgemeinschaft ist ratlos

■ Jahrestagung von IWF und Weltbank geht ohne konkrete Ergebnisse in die letzte Runde

Washington/Berlin (rtr/taz) – Arme und reiche Länder wollen sich gemeinsam um die Sicherung von Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität in aller Welt bemühen. Dies erklärten Vertreter von 11 Industrie- und 15 Schwellenländern am Montag nach einem Treffen in Washington.

Die 26 Industrie- und Schwellenländer aus aller Welt hatten sich auf Einladung der USA am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank getroffen. Schon im April, nach der Frühjahrstagung der beiden Finanzinstitutionen, waren Arbeitsgruppen eingesetzt worden, die Vorschläge für die Umgestaltung des Weltfinanzsystems erarbeiten sollten. Die Expertengruppen empfahlen unter anderem, Investmentfirmen strengere Regeln für die Offenlegung ihrer Finanzanlagen aufzuerlegen.

US-Präsident Bill Clinton drängte die Teilnehmer des Treffens, endlich gemeinsam gegen die Finanzkrisen zu kämpfen. Allerdings brachten die Beratungen keinerlei Einigung über die unmittelbar nötigen Maßnahmen. Die Diskussion konzentrierte sich vor allem auf Ursachen der Krisen und längerfristige Strategien.

Kapitalverkehrskontrollen, wie sie kürzlich Malaysia eingeführt hatte, stießen auf die vehemente Kritik vor allem der USA. Ebenso harsche Worte fand US-Finanzminister Robert Rubin aber auch für das fehlgeschlagene Krisenmanagement von IWF und Weltbank. Die Empfehlungen, die im Kern lediglich auf eine „Kultur der Offenheit und Transparenz“ hinauslaufen, werden jetzt an die Geberorganisationen und sämtliche Regierungen überstellt, die dann weitersehen sollen.

Der Entwicklungsausschuß von IWF und Weltbank, dem 24 Länder und Ländergruppen angehören, appellierte unterdessen an die großen Industriestaaten, alles in ihrer Macht Stehende zur Förderung von Wachstum und Finanzstabilität in der Welt zu tun – ohne zu sagen, was dies ist. Zugleich rief er die Länder, die unter den Krisen in Südostasien und Rußland leiden, auf, die Märkte zu öffnen, eine solide Politik zu betreiben und die Korruption auszumerzen. Dies sei der einzige Weg, um das Vertrauen ausländischer Kapitalanleger zurückzugewinnen. Die Weltbank solle sich wieder stärker um ihre Aufgaben kümmern: um Bildung, Soziales und Projektentwicklung statt um Finanzspritzen zur Bewältigung von Finanzkrisen. Das sei Sache des IWF.

Der Interimsausschuß aus 24 Finanzministern und Notenbankchefs, der den IWF berät, konstatierte, daß sich die Zukunftsperspektiven der Weltwirtschaft beträchtlich verschlechtert hätten. Der Ausschuß beschloß, weiter an einer gemeinsamen Strategie zu arbeiten. Er verabschiedete jedoch keine konkreten Pläne, forderte aber dessenungeachtet: „Jetzt müssen konkrete und schnelle Aktionen folgen.“

Bundesentwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger (CSU), der die deutsche Delegation in Washington anführt, verwies darauf, daß private Anleger seit Beginn der Asienkrise schon 200 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern abgezogen hätten. Das seien fast zwei Drittel der einstmals investierten Summe. Diese Lücke könne keine multinationale Organisation schließen.

Spranger räumte ein, daß nach den jüngsten Erfahrungen in Asien über eine neue Gewichtung in der Entwicklungspolitik nachgedacht werden müsse. In den vergangenen Jahren hätten die Industrie- und auch die Entwicklungsländer beim Aufbau armer Länder verstärkt auf private Kapitalgeber gesetzt. Jetzt zeige sich, daß öffentliche Hilfe weiterhin wichtig sei.

Die Vertreter der Banken wurden deutlicher. Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, warf dem IWF Täuschung und mangelnde Entschlußkraft vor. „Er hat den Eindruck erweckt, er könne mehr, als er in Wirklichkeit kann.“ lieb