Krimis für die wehleidigen Inselbewohner

■ Ein Porträt über den Diogenes Verlag als Porträt des Verlegers Daniel Keel (22.30 Uhr, 3sat)

Nein, was nach ihm kommt, darüber macht er sich keine Gedanken. Daniel Keel, Chef des Züricher Diogenes Verlages, ist einer der letzten Tycoons der Branche. Einer, der sein Unternehmen in den sagenhaften 50er Jahren als Einmannbetrieb gründete und der noch die Legende vom schier unglaublichen Aufstieg erzählen kann; der auf persönliche und freundschaftliche Beziehung zu seinen Autoren setzt, der seinem Instinkt vertraut und der es sich leistet, nur solche Bücher zu machen, die ihm gefallen. Einer, der es gewohnt ist zu entscheiden. Allein.

So ist es nicht verwunderlich, daß Rosemarie Pflügers Verlagsporträt „Von Büchern und Menschen“, das 3sat in seiner Reihe zum Buchmessenthema Schweiz ausstrahlt, in weiten Teilen ein Keel-Porträt ist. Keel erzählt von den Anfängen, als er hauptsächlich Karikaturenbände herausbrachte: Von Ronald Searle, Paul Flora oder dem damals noch unbekannten Loriot. Dazu kamen vor allem angelsächsische Erzähler, die Keel bevorzugt, weil er bei den von einer „langen Epoche wehleidiger Innerlichkeit“ geprägten Schweizer Autoren oder bei den Deutschen wenig findet, was ihn begeistert. Urs Widmer immerhin, mit dem er befreundet ist, veröffentlicht bei Diogenes. Seine Bücher sind aber auch mit der zum Verlagsmotto bestimmten Voltaire- Devise kompatibel: „Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur die langweilige nicht.“ Das gilt ebenso für die anderen großen Diogenes-Autoren: Patricia Highsmith, Georges Simenon oder Anton Tschechow.

Von Anfang an verehrte Keel Friedrich Dürrenmatt, von dem er alles druckte – sogar Zeichnungen, die eigentlich nur nebenbei entstanden. Dürrenmatt in dem Porträt: „Keel ist in bezug auf mich komplett verrückt.“ Das muß wohl so sein. „Keel ist eine starke Persönlichkeit mit ausgeprägtem Geschmack“, sagt der einstige Cheflektor Gerd Haffmans, nicht ohne auch auf eine gewisse Sturheit Keels zu verweisen. Haffmans schied 1982 im Streit, weil er es satt hatte, seine eigenen Ideen immer so verpacken zu müssen, daß sie aussahen wie Keels Ideen. Wer unter Keel arbeitet, muß damit leben, nicht das letzte Wort zu haben. Das erste auch nicht.

Dennoch oder gerade deshalb – das wird aus dem Verlagsporträt deutlich – sind Diogenes-Angestellte gerne bei Diogenes. Auch deshalb, weil Rudolf Bettschart das Prinzip der Großzügigkeit beherzigt. Nicht aus Berechnung, nein, das weist er zurück. „Aber schauen Sie, wenn Sie gut bezahlt sind, arbeiten Sie auch besser.“ So ist das überall, und in der Schweiz besonders. Diogenes ist Schweiz. Und die Schweiz ist eine Insel der Seeligen. Da läßt sich's aushalten. Jörg Magenau