■ Schon wieder kann eine Akte X geschlossen werden
: Das Donkosaken-Rätsel endlich gelöst

Eigentlich war es ganz einfach. Ein Besuch im Zeitungsarchiv, ein paar logische Schlüsse aufgrund vorhandener Indizien, und der Fall war geklärt. Natürlich wirft die Lösung Fragen auf, aber eine andere gibt es nicht: Die Donkosaken waren Außerirdische im Dienst der CIA.

Gehen wir nur von den Fakten aus: Die Donkosaken wurden bekannt als eine Gruppe von zwei Dutzend Männern, die mit den Händen auf dem Rücken so eng zusammen stehen, daß sie knapp auf das Foto auf dem Cover von der Platte passen, die im Plattenalbum meiner Mutter zusammen mit einer Alexandra-LP und einer Peter-Anders-Interpretation des Wolgalieds die Rußlandabteilung bildet, deren fließender Übergang zur allgemeinpopulären Musik, durch die Aktion-Sorgenkind- Platte „Wim Thoelke präsentiert“ markiert wird, auf der die Taigaschmerzen Ivan Rebroffs zusammenklingen mit Udo Jürgens „Anuschka“, die dem pop-gesonnenen Sänger guttural ins Ohr rollte, daß „Liebe heut nix gut“ sei.

Das war das Umfeld der Donkosaken, ihr psycho-sozial-musikalisches Milieu. Auf der Schwelle zwischen Kitsch und Kunst, Unterhaltung und Ernst, Paderhalle und Philharmonie, auf diesem schmalen Grat standen sie, die schwarzen, traurigen Männer und sangen sich die russische Seele aus dem Leib. Und vor ihnen, klein und kerzengerade, stand ihr Chef, Serge Jaroff. Der Mann, der die singenden Kosaken anführte. Vom ersten Auftritt 1923 bis 1985, als er fast 90jährig starb. 1923 bis 1985. Das heißt: Der Donkosakenchor hatte sein Bühnendebüt exakt ein halbes Jahr nach Gründung der Sowjetunion. Und exakt ein halbes Jahr nach Gorbatschows Wahl zum Generalsekretär des ZK der KPdSU löste sich der Chor auf. Ein Zufall? Natürlich nicht.

Ganz unzufällig hatten alle Donkosaken nämlich die amerikanische Staatsbürgerschaft. Und ebenso unzufällig hatten sie die meisten Auftritte zur Zeit des Kalten Kriegs, während umgekehrt in Zeiten politischer Entspannung jedesmal das Ende des Chors angekündigt wurde: Auflösungsgerüchte 1968 nach Unterzeichnung des Kernwaffensperrvertrags; Abschiedstournee 1971 nach dem Krim-Treffen zwischen Brandt und Breschnjew; Abschiedstournee 1976 nach Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte von Helsinki. Ganz offenbar waren die Donkosaken eine Art mobile Stimme Amerikas. Eine von Washington gesteuerte, brummende Propagandatruppe zur Verbreitung vorrevolutionärer Befindlichkeitssehnsüchte. Folkloristisch verbrämte Jammerstimmungsmacher gegen den realen Sozialismus. Russische Seelenverkäufer im Geheimdienst des Westens.

So weit, so einleuchtend. Wie aber läßt sich eine Truppe von 25 Agenten, die fern von Washington dauernd auf Abschiedstournee sind, kontrollieren? Wie läßt sich sicherstellen, daß kein einziger der Agentenschar nicht einer jener männlichen Schwächen erliegt, die – siehe James Bond – nur allzuleicht in Doppelagentins Doppelbett enden? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich zwingend aus der Auswertung aller wichtigen, seit etwa 1960 erschienenen Donkosaken-Zeitungsartikel. Zusammengenommen ergeben sie folgendes Bild: Donkosaken trinken nicht und essen nicht, haben keine Hobbies und kein Geschlechtsleben, sie singen nur. Und ihr Dirigent, der Donkosakenleiter, tut nicht mal das. Der drahtige Mann, der „langsamer altert als andere“ (Kölnische Rundschau vom 5.1.63), „dirigiert nur mit dem Mittelfinger“ (Die Welt vom 20. 3. 81), „legt eine Unbeholfenheit und Zerstreutheit in weltlichen Dingen an den Tag“ (Telegraf vom 17. 12. 65), und „strahlt jede Menge Energie aus, obwohl er nur einsfünfundfünzig mißt“ (Schweizer Illustrierte vom 25. 10. 66).

Kleinwüchsig, strahlend, alters- und geschlechtslos, nicht von dieser Welt, ohne menschliche Schwächen, aber mit einem langen Mittelfinger – genauso beschreibt der amerikanische Regierungsmediziner Stringfield in seinem Anfang der achtziger Jahre veröffentlichten Geheimdossier jene extraterrestrische biologische Lebensform, die mit einem etwa dreißig Meter durchmessenden Flugobjekt im Dezember 1950 nahe Laredo, Texas, abgestürzt sein soll. Ähnliche Beschreibungen Außerirdischer gibt es von UFO-Abstürzen 1947 und 1948 in New Mexico und 1953 in Arizona. Jedesmal hörte man in den Funkgeräten zuerst einen hohen Ton... Anschließend entdeckte man dann die Außerirdischen.

Was mit ihnen weiter geschah, wissen wir jetzt. Was dieses Wissen bedeutet, wird sich erweisen. Zumindest sollte meine Mutter ihre Platten umsortieren. Walter Filz