Ein gemeinsames Dach für alle Daimler-Forscher

■ Mit Technologie-Zentrum will Daimler den „organisatorischen Sündenfall“ überwinden: der Trennung der Abteilung. Kurze Wege und weniger Hierarchien sollen alles besser machen

Stuttgart (taz) – Daimler-Chef Jürgen Schrempp rennt, nach kurzer Rede ist er weg. Vorstandskollege Jürgen Hubbert muß bleiben. Und Bereichsvorstand Helmut Petri sowieso. Er beaufsichtigte gestern vormittag den ersten Blick der Öffentlichkeit in das neue Technologie-Zentrum der – noch – Daimler-Benz AG in Sindelfingen. Hier schlage künftig „das technologische Herz“ des Konzerns, hatte Jürgen Schrempp zuvor während einer Pressekonferenz im nagelneuen Eingangsgebäude gesagt, dem Design Center des Architekten Renzo Piano. Hier sollen neue Fahrzeugmodelle entwickelt und alte wie der Luxuswagen Maybach neu gestylt werden. 7.400 Angestellte sollen hier zusammenarbeiten – bislang sind sie auf 18 Standorte verteilt.

Die Fließbandfertigung des Massenartikels Autos habe, sagte Jürgen Hubbert, zum „organisatorischen Sündenfall“ in der Automobilindustrie geführt, zur „strengen, funktionalen Trennung“ der verschiedenen Unternehmensbereiche. Neue Firmenphilosophie sei es, alles unter einem Dach zu vereinen: Produktions- und Testhallen, Entwicklungs- und Vertriebsabteilungen, Büros und Forschungsstätten.

Die neue Zusammenfassung biete viele Optimierungsansätze und Synergieeffekte, habe aber „nichts mit Einsparungen“ zu tun. Im Gegenteil, versprach Hubbert: Der Konzern wolle in den nächsten drei Jahren gar 4.500 Ingenieure und Naturwissenschaftler einstellen.

Jürgen Hubbert pries die 1,3 Milliarden Mark teure Innovation auf 550.000 Quadratmeter Fläche als eine der „kurzen Wege“ an, die, durch Brücken verbunden, für alle Mitarbeiter auch bei Regen trockenen Fußes zu bewältigen sei. Sie sollen „hierarchie-, funktions- und ressortübergreifend“ zu nur einem gemeinsamen Ziel führen: dem Endprodukt Auto.

Auch die neue Brennstoffzellentechnik soll hier in den kommenden sechs Jahren bis zur Serienreife entwickelt werden. Die Weiterentwicklung batteriegetriebener Fahrzeuge überlasse man dem US-amerikanischen Fusionspartner Chrysler in dessen ebenso moderner Entwicklungsabteilung in Auburn Hills.

Im betriebsinternen Detail verzichtete Daimler Benz im Technologie-Zentrum energiesparend auf Klimaanlagen und künstliche Beleuchtung. Die Gebäude sind wärmegedämmt, die Dächer auf einer Fläche von 45.000 Quadratmetern begrünt. Das kühlt die Häuser im Sommer und wirke, so eine der zahlreichen Eröffnungserklärungen der Autobauer, insbesondere „bei Inversionswetterlagen den gesundheitsgefährdenden Dunstglocken entgegen“ – eben dem, was bislang bei all der großen Autoforschung am Ende hinten rauskommt. Heide Platen